AKTUELLES:
Nazi-Arbeitsämter und NS-Zwangsarbeit
- Nationalsozialistisches Konzept der Zwangsarbeit und Arbeitserziehung
- AFD-Anwendung von NS-systemischer Umsetzung und Propaganda der Arbeitslager sowie die AFD-verfassungswidrige Kennzeichnung von betroffenen Opferzielgruppen mit NS-Labeling
- u.a. in Baden-Württemberg
Zuletzt AKTUALISIERT am 01.05.2023 !
Inhaltsverzeichnis:
2. Online-Artikel zum Nationalsozialistischen Konzept der Arbeit, zu Nazi-Arbeitsämtern und NS-Zwangsarbeit
3. Online-Artikel zu AFD-Anwendung von NS-systemischer Umsetzung und Propaganda der Arbeitslager sowie die AFD-verfassungswidrige Kennzeichnung von betroffenen Opferzielgruppen mit NS-Labeling
SIEHE AUCH:
- HISTORISCHES: Arbeit und Arbeitsämter im Nationalsozialismus - Arbeitslager - Arbeitserziehungslager (AEL) - u.a. in Baden-Württemberg >>>
- AKTUELLES: Nazi-Zwangsarbeit und Ghetto-Renten Problematische Anerkennung und Entschädigung von Opfern des NS-Regimes während der NS-Vergangenheitsbewältigung >>>
- AKTUELLES: Nazi-Arbeitsämter und NS-Zwangsarbeit - Nationalsozialistisches Konzept der Zwangsarbeit und Arbeitserziehung - AFD-Anwendung von NS-systemischer Umsetzung und Propaganda der Arbeitslager und der verfassungswidrigen Kennzeichnung von betroffenen Opferzielgruppen mit NS-Labeling >>>
2. Online-Artikel zum Nationalsozialistischen Konzept der Arbeit, zu Nazi-Arbeitsämtern und NS-Zwangsarbeit
Arbeitsmarkt und Sondererlaß: Menschenverwertung, Rassenpolitik und Arbeitsamt (Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Bd. 8) Taschenbuch – 23. November 2009
Die Reihe »Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik« ist ein Klassiker der medizinhistorischen Forschung und der politischen Reflexion der Medizinberufe gleichermaßen. Nachdem sie viele Jahre als vergriffen galt, macht der Mabuse-Verlag ausgewählte Bände dieser Reihe nun wieder verfügbar. Dieser Band beschreibt die Rolle der nationalsozialistischen Arbeitsverwaltung bei der Vorbereitung des Krieges und der Verfolgung der jüdischen Minderheit. Als Machtmittel des modernen Staates entwickelte sie sich über das Jahr 1933 hinweg in auffälliger Kontinuität. Das Bemühen, finanzielle Unterstützung und Mittelzuteilung flexibel zu handhaben, lies den Sondererlass dabei zum eigentlichen Merkmal dieser Behörde werden.
Lichtenberger Lokalgeschichte: Wo Arbeit Strafe war. Das „Arbeitserziehungslager Wuhlheide“
Veranstaltungs-Hinweis des VVN-BdA Lichtenberg:
Donnerstag, 27. April 2023 | 18.00 Uhr
Ab April 1940 existierte in Lichtenberg ein damals in Berlin neuartiges Disziplinierungsinstrument für Arbeitskräfte, die im Urteil der Nazis als „arbeitsscheu“ galten.
In dem von der Gestapo eingerichteten „Arbeitserziehungslager Wuhlheide“ wurden nach Schätzungen 25.000 Menschen, darunter viele Zwangsarbeiter, gequält. 3.000 starben.
Gemeinsam mit Thomas Irmer (Politologe und Historiker) und Prof. Dr. Christoph Kopke (Politologe und Historiker) wollen wir einen Blick auf Zwangsarbeit und das Lichtenberger Arbeitserziehungslager
werfen.
Eingeleitet wird die Veranstaltung mit dem Film „Wo Arbeit Strafe war. Das ‚Arbeitserziehungslager‘ Wuhlheide. Eine filmische Spurensuche“ aus dem Jahr 2007.
Ort:
Bodo-Uhse-Bibliothek (Erich-Kurz-Straße 9,
10319 Berlin, U-Bhf. Tierpark)
Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Bodo-Uhse-Bibliothek.
Weitere Informationen finden sie hier.
https://www.berlin.de/
Die Rolle der Arbeitsämter bei der Rekrutierung von SS-Aufseherinnen Taschenbuch – 5. September 2006
In den zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die NS-Konzentrationslager sind in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die Existenzbedingungen der Hunderttausenden von Häftlingen beiderlei Geschlechts thematisiert worden. Erst seit dem letzten Jahrzehnt wurden die Verbrechen der „willigen Vollstrecker“ und deren sozio-ideologischen Grundlagen stärker in das Blickfeld genommen. Im Fokus lag hierbei jedoch beinahe ausschließlich das männliche Bewacher-Personal. Frauen als „weibliches Gefolge“ der SS, eingesetzt als Aufseherinnen in Frauen-Konzentrationslagern, sind erst seit jüngster Zeit Forschungsgegenstand. Dieser Paradigmenwechsel der letzten Jahre äußert sich auch darin, dass die Dämonisierung und Stereotypisierung Einzelner zu „Bestien“ und „Befehlsempfängern“ einer Darstellung der „ganz normalen Männer und Frauen“ als handelnder Subjekte wichen. Als Resultat dieser Untersuchungen entwickelte sich zunehmend die Frage, wie es möglich wurde, Aufseherin in einem Frauen-Konzentrationslager zu werden, welche gesellschaftlichen und individuellen Voraussetzungen letztlich die Entscheidung bestimmten. Unklar blieb bislang, welche Rolle das ursprünglich als sozialpolitisches Instrument entwickelte Arbeitsamt in der Zeit des Nationalsozialismus bei der Arbeitskräfterekrutierung von Aufseherinnen für die SS übernahm.
Siehe auch:
- NS-Täterinnen >>>
- HISTORISCHES: Arbeit und Arbeitsämter im Nationalsozialismus >>>
- AKTUELLES: Arbeit und Arbeitsämter im Nationalsozialismus >>>
Nachweise für ehemalige Zwangsarbeiter
Landesarchiv Baden-Württemberg
P-Abzeichen für polnische Fremdarbeiter nach dem Erlass des Reichsinnenministers vom 8. März 1940 (Reichsgesetzblatt 1940 , Bd. I)
Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag am 6. Juli 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (BGBl. I S.1263) verabschiedet. Es trat am 12. August 2000 in Kraft. Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus Betroffene bereitzustellen. Die Betroffenen in Polen haben acht Monate, alle anderen zwölf Monate Zeit, Anträge auf Leistungen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" bei der jeweils zuständigen Partnerorganisation zu stellen. In den kommenden Monaten werden voraussichtlich über eine Million Überlebende der NS-Zwangsarbeit Leistungen der Stiftung förmlich beantragen. Die hierfür erforderlichen Nachweise können auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden.
Die Rolle der Archive
Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung der Nachweise nehmen die Archive ein. Denn ohne die in den Archiven verwahrten Unterlagen könnten die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter den Nachweis über ihre erzwungene Tätigkeit im nationalsozialistischen Deutschland nicht erbringen. In Staats-, Stadt- Kreis- oder sonstigen Archiven lagern Unterlagen unterschiedlichster Herkunft, die Auskunft über einzelne Zwangsarbeiter geben. Die Archive sind daher mit steigender Tendenz durch die bei ihnen eingehenden Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiter wegen Nachweises ihrer Beschäftigungszeiten stark in Anspruch genommen. Die Archive sind sich der hohen politischen und moralischen Verantwortung, die mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern verbunden ist, bewusst und stellen sich dieser Verpflichtung mit großem Einsatz und unter Zurückstellung anderer Aufgaben.
Die Recherche in den Archiven kann auf zwei Wegen in Gang kommen. Zum einen schicken die Partnerorganisationen Sammelanfragen an den Internationalen Suchdienst. Fällt die Recherche dort negativ aus, müssen Anschlussrecherchen in den Archiven erfolgen. Dazu müssen die Anfragen nach Bundesländern sortiert und an regionale Koordinierungsstellen in den Ländern versandt werden. In Baden-Württemberg hat das Hauptstaatsarchiv Stuttgart diese Koordinierungsfunktion übernommen. Dort werden die vom ISD abgegebenen Anfragen in Form eines Datenblattes aufbereitet und nach einem festgelegten Ablaufplan zur weiteren Bearbeitung an die Archive weitergeleitet; in die Verteilung sind an erster Stelle die Kommunalarchive bzw. Gemeindeverwaltungen einzubeziehen, des weiteren die Direktionen der AOK, die Staatsarchive sowie weitere Archive wie Firmen- und Wirtschaftsarchive. Werden in diesen Archiven Nachweise gefunden, sollen entsprechende Mitteilungen direkt an die Partnerorganisationen gerichtet werden.
Neben diesem Ablauf über die Partnerorganisationen bzw. den ISD gehen weiterhin auch individuelle Anfragen von den Betroffenen bei den Archiven ein. Diese Anfragen werden - bei örtlich gegebener Zuständigkeit - wie bisher in den Archiven bearbeitet, ebenfalls nach einem standardisierten Ablaufschema. Kann kein positives Ergebnis erbracht werden, erfolgt die Weitergabe an den ISD.
Erschließung der Archivalien mit Nachweisen über Zwangsarbeiter
Für die Betroffenen ist es wichtig, dass die verstreut vorhandenen Dokumente auf deutscher Seite für sie nutzbar gemacht werden und mit dem Antrag bzw. der Anfrage eine zügige und zuverlässige Recherche nach Beweisunterlagen in Gang kommt. Die Staatsarchive haben in den letzten Monaten zeit- und personalintensive Maßnahmen getroffen, um auf die erwartete Antragswelle vorbereitet zu sein und die Recherchen zu optimieren und zu beschleunigen. Überwiegend mit Hilfe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden die in den Archiven verwahrten Unterlagen, die Nachweise über Zwangsarbeiter enthalten, erschlossen und aufbereitet. Im Generallandesarchiv und im Staatsarchiv Freiburg werden sämtliche in den dortigen Unterlagen nachzuweisende Zwangsarbeiter in einer Datenbank erfasst. Das Staatsarchiv Sigmaringen erschließt die Unterlagen in einem sachthematischen Inventar, das online verfügbar ist und laufend aktualisiert wird.
Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Staatsarchiv Sigmaringen
Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Staatsarchiv Ludwigsburg
Weitere Informationen
Bewertung, Übernahme und Nutzung von Unterlagen zu Zwangs- und Fremdarbeitern der Allgemeinen Ortskrankenkasse durch die Staatsarchive in Baden-Württemberg
Zwangsarbeiterin fand bei Besuch im Generallandesarchiv wichtige Unterlagen
Baden-württembergische Archive für Zwangsarbeiteranfragen gerüstet
https://www.landesarchiv-bw.de/
"minderwertig" und "asozial": Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Aussenseiter Taschenbuch – 3. Mai 2005
Während der Zeit des Nationalsozialismus gerieten in Deutschland ganze Bevölkerungsgruppen ins Visier des NS-Verfolgungsapparats. Als 'asozial' etikettiert, wurden Bettler, Arbeitslose, Obdachlose, Prostituierte, Homosexuelle, Sinti und Roma und sozial unangepasste Jugendliche in Arbeitslagern, Arbeitshäusern und geschlossenen Anstalten interniert, ab 1938 in Konzentrationslager eingewiesen und anderen Zwangsmassnahmen wie zum Beispiel der Sterilisation unterworfen. Die Nationalsozialisten gingen von der Ideologie eines 'gesunden Volkskörpers' aus, die zu einer rassistisch begründeten Hierarchisierung und Selektion von Menschen führte. Die Charakterisierung eines vom nationalsozialistischen Normensystem abweichenden Verhaltens als 'asozial' ermöglichte dabei eine Differenzierung innerhalb der 'Volksgemeinschaft'. Der Sammelband führt in wesentliche Aspekte der Vorgeschichte der nationalsozialistischen Verfolgung gesellschaftlicher Aussenseiter ein, beschreibt die während der NS-Zeit in diesem Zusammenhang ergriffenen Massnahmen, schildert die unterschiedlichen Verfolgungs- und Vernichtungsformen sowie die Rolle von Polizei und Justiz, von Fürsorge und Kommunalverwaltung. Am Beispiel der Verfolgung der Jenischen in der Schweiz werden die Auswirkungen eugenischer und rassenhygienischer Konzepte im Nachbarland aufgezeigt. Schliesslich beleuchtet der Band, in welcher Weise Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen durch das Etikett 'asozial' bis heute nachwirken.
Siehe auch:
Deutsch-tschechische Online-Fortbildung: Zwangsarbeit im Nationalsozialismus
News vom 14.04.2021
Unser Kooperationspartner, der gemeinnützige Verein Živá paměť (Lebendige Erinnerung) in Prag lädt gemeinsam mit der Brücke Most Stiftung und der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig Multiplikator*innen und Pädagog*innen in der historischen Bildung aus Deutschland und der Tschechischen Republik zu einem zweiteiligen Online-Seminar ein zum Thema tschechische Zwangsarbeiter in der NS-Kriegswirtschaft ein. Ziel ist neben dem fachlichen Austausch die Vernetzung für gemeinsame deutsch-tschechische Projekte.
Die Veranstaltung findet am 5. und 19. Mai, 16-19 Uhr statt und wird simultan gedolmetscht.
Eine Anmeldung ist erforderlich bis zum 30. April 2021.
https://www.zwangsarbeit-archiv.de/
Weitere Informationen finden Sie hier.
https://www.zwangsarbeit-archiv.de/
Die Verwaltung des Ausnahmezustands: Wissensgenerierung und Arbeitskräftelenkung im Nationalsozialismus (Geschichte des Reichsarbeitsministeriums im Nationalsozialismus) Gebundene Ausgabe – 4. November 2019
Die Arbeitsverwaltung hielt die Kriegsfähigkeit des NS-Regimes durch ihre Arbeitskräftelenkung aufrecht. Die Arbeitsverwaltung durchlief in der Phase von ihrer Gründung 1927 bis zum Jahr 1945 einen permanenten Wandel. Als Behörde gegründet, um Arbeitslose zu vermitteln und die Arbeitslosenversicherung zu administrieren, griff sie zunehmend regulierend in den Arbeitsmarkt ein. Angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangels übertrug das NS-Regime der Behörde immer weitreichendere Kompetenzen, die sie dazu nutzte, die Arbeitskräfte im deutschen Machtbereich zu erfassen, zu registrieren und an die für die Rüstungs- und Kriegswirtschaft relevanten Arbeitsplätze zu lenken. Um diesen Aufgaben<br />gerecht zu werden, benötige die Verwaltung umfassendes Wissen über Einsatz, Qualifikation und Verwendungsmöglichkeiten der Erwerbsbevölkerung und über die Produktions- und Auftragslage der Unternehmen. Damit hatte die Arbeitsverwaltung entscheidenden Anteil daran, die Kriegsfähigkeit des NS-Regimes aufrecht zu erhalten. Henry Marx wirft in seiner Studie ein neues Licht auf die öffentliche Verwaltung und Staatlichkeit des NS-Regimes. Seine Interpretationen widersprechen bisherigen Forschungsansichten wie der Polykratiethese oder den Ansätzen zur »Neuen Staatlichkeit«.
Arbeit im Nationalsozialismus
/ Tagungsberichte
OrganisatorenMichael Wildt/Marc Buggeln, auf Einladung des Internationalen Geisteswissenschaftlichen Kollegs „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ an der Humboldt-Universität zu Berlin
OrtBerlin
LandDeutschland
Vom - Bis13.12.2012 - 15.12.2012
Von
Pina Bock, Universität Leipzig Email:
Die Tagung „Arbeit im Nationalsozialismus“ wurde von Michael Wildt und Marc Buggeln organisiert und fand auf Einladung des Internationalen Geisteswissenschaftlichen Kollegs „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Sie ging der Frage nach, welchen Stellenwert Arbeit als Begriff, aber auch als soziale, politische und kulturelle Praxis im Nationalsozialismus hatte. Hierbei war die Reflexion der inkludierenden und gleichermaßen exkludierenden Funktion von Arbeit, besonders in Bezug auf die „Volksgemeinschaft“, von zentraler Bedeutung.
Bereits die Oberthemen der Panels – Traditionen des Arbeitsbegriffs, Arbeit und „Volksgemeinschaft“, Institutionen der Arbeit im Nationalsozialismus, Zwangsarbeit und Arbeit, Verfolgung, Vernichtung – , aber besonders die zahlreichen Beiträge der Tagung verwiesen auf die Vielschichtigkeit des Gegenstandes. Quer zu diesen unterschiedlichen Perspektiven wurden immer wieder verbindende Fragen nach einer deutschen Spezifik sowie nach historischen Kontinuitäten und Brüchen von Arbeit thematisiert.
Einige dieser Fragen warf bereits ALF LÜDTKE (Erfurt/Seoul) in seiner Keynote am Beispiel des Topos „deutscher Qualitätsarbeit“ auf und unterstrich die historische Langlebigkeit dieser Idee, die spätestens in den 1890er-Jahren relevant wurde und zumindest bis in die 1960er-Jahre virulent blieb. Dabei verwies er auch auf die zahlreichen Kontexte, in denen man sich positiv auf deutsche Qualitätsarbeit bezog. So zum Beispiel im militärischen Sinne, an der Front oder auch im „Ruhrkampf“, von gewerkschaftlicher Seite, in der Abwehr von Taylorismus und Entfremdung, in der nationalsozialistischen Propaganda, aber auch im Zuge des Wiederaufbaus nach Ende des Krieges 1945. Trotz solcherlei unterschiedlicher Akteure und Funktionen zeichnete sich „deutsche Qualitätsarbeit“ zu jeder Zeit durch die Betonung besonderer (Hand-)Fertigkeit, der Ehre der Arbeit sowie eines speziellen (und ausschließenden) deutschen Momentes aus. Diese in Deutschland schichtübergreifende Vorstellung von Arbeit, so Lüdtke, sei nicht allein als Resultat von Propaganda zu begreifen, sondern in genauso starkem Maße Teil der ganz alltäglichen Verständigungsprozesse gewesen. Viele der Aspekte (wie Militarisierung, Propaganda, Exklusion, etc.), die Lüdtke in seinen Anmerkungen thematisierte, wurden im weiteren Verlauf der Tagung wieder aufgegriffen.
Im ersten Panel Traditionen des Arbeitsbegriffs beschäftigte sich INGE MARSZOLEK (Bremen) mit der „Inszenierung der Arbeit am 1. Mai 1933“. Den 1. Mai 1933, der unter dem bezeichnenden Motto „Ehret die Arbeit, achtet den Arbeiter“ stand, kennzeichneten zwei Aspekte: zum einen die Inszenierung als „Medienevent“, zum anderen die Umschreibung des Arbeitsbegriffs und des Arbeiters im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Dazu gehörten die Überwindung des Klassenkampfes, die Betonung von Stolz und Modernität sowie besonders die Militarisierung von Arbeit. Gerade diese Gleichsetzung von Arbeitern und Soldaten als zentrales Narrativ des Nationalsozialismus wurde als Novum der NS-Arbeitsideologie betont. MICHAEL WILDT (Berlin) verwies in seinem Vortrag zum „Begriff der Arbeit bei Hitler“ auf diesen wichtigen Aspekt der NS-Arbeitsideologie: die öffentliche und offizielle Wertschätzung der Arbeiter und der Arbeit. Diese sei zwar vor allem eine symbolische gewesen, dürfe aber in ihrer integrativen Wirkung nicht unterschätzt werden. Wildt machte dabei deutlich, dass der Begriff der Arbeit, wie ihn Hitler entwickelte, eng verschränkt war mit antisemitischen Ausschlüssen wie der Unterstellung, dass Juden unfähig seien, hart zu arbeiten. Hier verwies Wildt auch auf Traditionen aus dem 19. Jahrhundert sowie, was die Idealisierung von Arbeit als Quelle gesellschaftlichen Reichtums und die Stigmatisierung von „Faulheit“ betrifft, Überschneidungen mit sozialistischen Ideen.
Hieran anschließend zeigte KATHARINA SCHEMBS (Berlin), die sich der Darstellung von Arbeit und Arbeitern im peronistischen Argentinien (1946-1955) widmete, anhand von Graphiken, wie auch in Argentinien eine besondere Wertschätzung von (manueller) Arbeit propagiert wurde. Sie bestätigte hiermit eindrücklich die Anschlussfähigkeit bestimmter Bilder von und über Arbeit, die für den Nationalsozialismus zentral waren, für andere politische Systeme. In allen drei Vorträgen wurde deutlich, dass Frauen in der Inszenierung von Arbeit und Arbeitern keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielten.
Im anschließenden Kommentar verwies JÜRGEN KOCKA (Berlin) - eher konträr zu Lüdtke - darauf, dass der NS-Arbeitsbegriff sich nicht im Besonderen auf die Qualitätsarbeit bezogen, sondern eher eine anti-hierarchische Vorstellung von Arbeit propagierte habe. Nicht nur manuelle Arbeit, sondern auch unbezahlte Arbeit hätte eine hohe Wertschätzung erfahren. Neu sei vor allem der Rassismus gewesen, besonders in Form von Repression und Ausschluss, sowie die Militarisierung von Arbeit.
Das zweite Panel näherte sich aus unterschiedlichen Perspektiven dem Aspekt Arbeit und „Volksgemeinschaft“. ULRICH PREHN (Berlin) veranschaulichte anhand von „Fotografien der Arbeit in Deutschland“ einen Wandel von Bildern des Arbeiterkampfes in den 1920er-Jahren hin zu weitestgehend gleichgeschalteten Bildern der Arbeit nach 1933. Die Fotografien der Arbeit verwiesen fortan vor allem auf Gemeinschaft, Ordnung und die Gleichheit der Betriebe. Nach Kriegsbeginn sollten besonders Bilder von Betriebsausflügen auch der Inklusion und der positiven Erinnerung dienen. STEFANIE SCHÄFERS (Luxemburg) ging im Anschluss auf „Die Ausstellung 'Schaffendes Volk' Düsseldorf 1937“ ein. Auf der überdimensional großen Ausstellung sollten die verschiedenen Errungenschaften deutscher Kunst, Technik, Architektur u.v.m. gezeigt werden. Sie sollte Ausdruck der zukünftigen Autarkie der deutschen „Volksgemeinschaft“ sein, wenn auch in der Umsetzung der Ausstellung Mängel und Widersprüche nicht zu übersehen waren.
MARTIN BECKER (Frankfurt am Main) beleuchtete eindrücklich die Veränderungen im Arbeitsrecht. Hier kam es nach 1933 zu einem ganz klaren Bruch, da mit der Auflösung der Verfassung auch das Arbeitsrecht ausgehebelt wurde. An die Stelle von frei ausgehandelten Arbeitsverträgen, Tarifen, Gewerkschaften und Privatrecht trat die Betriebs- und „Volksgemeinschaft“ als einziger und willkürlicher Bezugsrahmen. Das führte gleichzeitig zu einer Vereinzelung sowie zu einer totalen Vergemeinschaftung der Arbeitnehmer, deren individuelle Freiheitsrechte zugunsten von Betriebs- und „Volksgemeinschaft“ negiert wurden. Der letzte Beitrag von NICOLE KRAMER (Frankfurt am Main) befasste sich mit der „'stillen Reserve' der 'Volksgemeinschaft'“, der Rolle der Frauenarbeit im Nationalsozialismus. Darin ging sie auf drei Ebenen der Frauenarbeit im NS ein: die Entprivatisierung von Hausarbeit, welche Ausdruck fand in Maßnahmen wie dem Ehestandsdarlehen und der Doppelverdienerkampagne, des Weiteren auf die Aktivierung für unbezahlte, außerhäusliche „Ehren“-Arbeit und zuletzt auf geschlechtsspezifische Erwerbsarbeit. Diese Erwerbsarbeit hing eng zusammen mit einem Phasenmodell, das Frauen erlaubte, vor der Ehe und nach dem Erwachsenwerden der Kinder zu arbeiten. Deutlich wurde, dass Frauen zwar von Teilen der Erwerbsarbeit ausgeschlossen wurden, jedoch gleichzeitig – an ihrem Platz – in die „Volksgemeinschaft“ integriert werden sollten.
KIRAN KLAUS PATEL (Maastricht) griff in seinem Kommentar besonders die Frage nach einer gesellschaftlichen Praxis der Aneignung oder des Widerstandes und nach den hierarchischen oder anti-hierarchischen Elementen von Arbeit im Nationalsozialismus auf, wobei in der Diskussion, gerade in Bezug auf die „Frauenarbeit“, deutlich wurde, dass ein Verständnis von Geschlechterkomplementarität genau nicht von Gleichheit ausgehe und somit anti-hierarchisch sei, sondern dass Ungleichheit – nicht nur in Bezug auf Geschlechter – eher ideologisch überwölbt wurde.
DETLEV HUMANN (Bad Bentheim) eröffnete das dritte Panel zu den Institutionen der Arbeit mit einem Beitrag zur „'Arbeitsschlacht' als Krisenüberwindung“, in dem er auf die nationalsozialistischen Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit einging. Solche Maßnahmen waren zum Beispiel die Verdrängung von Frauen aus der Erwerbsarbeit, aber auch der sogenannte Arbeitsplatztausch, Notstandsarbeiten, Arbeitsdienst und die Landhilfe. Dabei betonte er auch die Unbeliebtheit vieler dieser Maßnahmen, rassistische Aspekte und Grenzen der Maßnahmen. Trotzdem konstatierte er auch einen propagandistischen Erfolg der „Arbeitsschlacht“. Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit spielten die Deutsche Arbeitsfront, mit der sich RÜDIGER HACHTMANN (Potsdam) in seinem Beitrag zu „Arbeit und Arbeitsfront“ beschäftigte, und „Die deutsche Arbeitsverwaltung 1933-1945“, der sich KARSTEN LINNE (Hamburg) widmete, wichtige Rollen. Hachtmann verwies auf den Namen „Arbeitsfront“, der die Arbeit statt den Arbeiter betone – die DAF wollte nie eine ArbeiterInnenvertretung im gewerkschaftlichen Sinn sein. Ebenfalls seien Bellizismus, Rassismus und Antisemitismus handlungsleitende Elemente der Arbeitsfront gewesen. Nicht zuletzt sei ein positiver Bezug auf Henry Ford zu beobachten, weshalb Hachtmann den Nationalsozialismus als „Kriegsfordismus“ fasste. Linne stellte in seinem Beitrag die zunehmende Verstaatlichung und die Bedeutung der Arbeitsverwaltung für die Kriegsvorbereitung dar. Spätestens mit der Einführung des Arbeitsbuches sei die Tätigkeit der Arbeitsverwaltung nicht mehr durch Vermittlung, sondern durch Kontrolle und Zwang geprägt gewesen. Freier Arbeitsplatzwechsel war kaum mehr möglich, und bezeichnenderweise wurde der Begriff „Arbeitsmarkt“ von offizieller Seite verboten.
Kontrolle und Zwang spielten auch in den Ausführungen von IRENE RAEHLMANN (Bamberg) zum „Kaiser Wilhelm Institut für Arbeitspsychologie“ eine Rolle. Es ging diesem Institut und seinen Forschern darum, aus vermeintlich rein wissenschaftlichem Interesse in Ernährungsexperimenten mit Zwangsarbeitern Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zu untersuchen. Zynisches Ergebnis dieser Forschungen war, dass die Leistungsbereitschaft – für mehr Essen mehr zu arbeiten – die Leistungsfähigkeit der „Versuchspersonen“ nicht selten übertraf. Raehlmann verwies in ihrem Vortrag zudem eindrücklich auf die Schwierigkeiten autonomer Wissenschaft sowie auf personelle wie institutionelle Kontinuitäten.
DIETMAR SÜSS (Jena) ging im Kommentar besonders auf die semantische Verschiebung des Arbeitsbegriffs im Nationalsozialismus ein. Grade in diesem Panel sei die Bedeutung der Militarisierung für diesen sehr deutlich geworden. Weiterhin brachte Süß den Begriff der Leistung – Nationalsozialismus als rassistische Leistungsgemeinschaft – ins Spiel und fragte, was in diesem Sinne Arbeit insgesamt über den Nationalsozialismus aussagen könne.
An diese Frage knüpfte dann auch das folgende Panel zu Zwangsarbeit an, welches von MARC BUGGELN (Berlin) eröffnet wurde. Er beschäftige sich vor allem mit der Entwicklung und Bedeutung des Begriffs und mit Fragen nach begrifflichen Möglichkeiten der Differenzierung von Zwangsarbeit. Er schlug dafür die Unterscheidung in freie Arbeit und unfreie Arbeit vor. Unfreie Arbeit wurde dann von Buggeln nochmal abgestuft nach Arbeitspflicht und Zwangsarbeit, letztere wiederum gegliedert in Zwangsarbeit, Sklavenarbeit und Sklavenarbeit mit hoher Sterblichkeitsrate. Buggeln wies darauf hin, wie wichtig theoretisch fundierte und differenzierte Begrifflichkeiten seien, um den jeweiligen Umständen, Bedingungen und ideologischen Elementen von Arbeit im Nationalsozialismus gerechter werden zu können. CHRISTOPH THONFELD (Taipei) beleuchtete eindrücklich die Perspektive der Zwangsarbeiter. Er beschrieb auf der Grundlage von Zeitzeugeninterviews, welche Rolle Arbeit für KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Zivildeportierte gespielt hatte. Dabei wurde besonders deutlich, dass es hierbei große Unterschiede gab und (Zwangs-)Arbeit sowohl unmittelbar mit Leben und Tod zusammenhängen als auch als stabilisierendes Alltagsmoment wahrgenommen werden konnte. Aus biographischer Perspektive stimmte Thonfeld mit Buggeln darin überein, dass eine begriffliche Differenzierung von Zwangsarbeit notwendig sei. Beide wiesen auch auf Unterschiede zwischen Zwangsarbeit im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten hin. Einen exemplarischen Blick auf Letztere warf SABINE RUTAR (Regensburg/Jena) in ihrem Vortrag zu „Arbeit und Überleben in Jugoslawien (1941-1944/45)“. Sie wies auf die regionalen Unterschiede in den Bergwerken in Jugoslawien hin, auf die Rolle der Machthaber vor Ort, auf die historisch bedingten Konflikte zwischen Bevölkerung und Regierung sowie unter den verschiedenen Ethnien und auch den Partisanen. Rutar betonte im Zusammenhang mit der Heterogenität Südosteuropas und zahlreichen Machtverschiebungen, Brüchen und Verflechtungen die Bedeutung der Sozialregion und des social engineering. Beide Begriffe könnten zur Untersuchung der Arbeitsbeziehungen in der Region hilfreich sein.
In ihrem Kommentar ging TANJA PENTER (Hamburg) auf die politische Dimension von Begrifflichkeiten wie Zwangsarbeit oder auch Sklavenarbeit ein. Begriffe und Kategorien sollten möglichst konkret in ihrem historischen und politischen Kontext gefasst werden. Gleichzeitig seien aber die Begriffe für die Entschädigung und die öffentliche Anerkennung der Opfer des Nationalsozialismus von enormer Bedeutung. Auch die Diskussion drehte sich weiter um die Frage nach dem Nutzen oder Schaden von Kategorien und Begriffen der Zwangsarbeit.
Das letzte Panel zu Arbeit, Verfolgung, Vernichtung knüpfte einerseits an diese theoretischen Fragen an, ging aber, darüber hinaus, ganz explizit auf Arbeit und Zwangsarbeit als Ideologie und Praxis der Exklusion ein. JULIA HÖRATH (Berlin) hielt dabei in Bezug auf „'Arbeitsscheue' und 'Volksgenossen'“ fest, dass für sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den frühen Jahren des NS-Regimes noch eine Chance der „Besserung“ und damit auch der Reintegration in die „Volksgemeinschaft“ bestanden habe. HARRIET SCHARNBERG (Halle/Hamburg) machte allerdings sehr deutlich, wie scharf die nationalsozialistische Trennlinie zwischen deutscher Arbeit und jüdischer Nichtarbeit gezogen wurde und wie wenig Bilder von „arbeitenden“ – zur Arbeit gezwungenen – Juden mit einer Möglichkeit zur Teilhabe an der deutschen, arbeitenden Gemeinschaft zu tun hatten. Auch im Vortrag von ANDREA LÖW (München) zur „Arbeit in den Ghettos“ spielte Hoffnung, wenn auch weniger auf Integration als vielmehr auf das Überleben, eine große Rolle. Sie beschrieb aus Perspektive der GhettobewohnerInnen in Lodz und Krakau, dass die Verfolgten lange Zeit davon ausgingen, dass wer Arbeit hatte und arbeiten konnte, nicht deportiert werden würde. Gerade diese Logik bedeutete zugleich Selektion, indem „Arbeitsfähigkeit“ zum entscheidenden Kriterium für das Überleben oder Sterben wurde. JENS-CHRISTIAN WAGNER (Nordhausen) und STEFAN HÖRDLER (Washington) beleuchteten die entmenschlichende und in zynischer Weise rationalisierte Ideologie und Praxis der „Menschenselektion“. Wagner machte anhand des KZ-Lagerkomplexes Mittelbau-Dora die Dimensionen der Ausbeutung, Demütigung und des Tötens durch Arbeit deutlich. Seiner Meinung nach sei dabei jedoch nicht „Vernichtung durch Arbeit“ das Ziel gewesen, vielmehr sollten die Häftlinge „maximal verwertet“ werden, wobei ihr Tod in Kauf genommen wurde. Ähnlich argumentierte Hördler, der im Besonderen für das letzte Jahr einen Rückgang rassistischer oder antisemitischer Kriterien für die Selektion von Häftlingen konstatierte. Stattdessen hätte die Arbeitsfähigkeit die entscheidende Rolle für das Überleben der Häftlinge gespielt. Wer als krank oder arbeitsunfähig galt, wurde „negativ selektiert“, was den sicheren Tod bedeutete.
In seinem Kommentar machte ALEXANDER NÜTZENADEL (Berlin) darauf aufmerksam, dass sich in diesem Kontext nicht klar zwischen rassistischem oder ökonomischem/rationalem Handeln im Nationalsozialismus unterscheiden lasse. Es habe sich eine Mischform gezeigt, die sich nicht exakt zu einer Seite hin auflösen lasse. Außerdem warf er nochmal die Frage nach dem Ausschluss durch Arbeit auf.
In der Abschlussdiskussion wurden verschiedene zentrale Aspekte der Tagung aufgegriffen und zusammengeführt. Sehr deutlich wurde im Rahmen der Tagung, dass Arbeit im Nationalsozialismus nicht nur semantische Verschiebungen erfahren, sondern auch oder sogar besonders als Praxis an Bedeutung gewonnen hatte. Arbeit, als konkretes Mittel der Inklusion und Exklusion in bzw. aus der „Volksgemeinschaft“, sei als soziale Praxis von Herrschaft zu verstehen. Hier wurde noch einmal speziell auf die bedeutsamen Veränderungen im Arbeitsrecht, aber auch solche Maßnahmen wie die Einführung von Arbeitsbüchern verwiesen.
In diesem Sinne zeigte die Tagung, dass Arbeit auch einen bedrohlichen, kontrollierenden und destruktiven Charakter aufweisen kann. Hier könnte auch Marc Buggelns Ansatz, zwischen unfreier und freier Arbeit zu unterscheiden, einen Ansatz bieten, den Zwangscharakter von Arbeit schon früher und weiter zu diskutieren.
Im Gegensatz zu eher positiven Assoziationen mit Arbeit, wie jene des Fortschritts oder der Emanzipation durch Arbeit, wurde im Besonderen anhand des Themas Zwangsarbeit deutlich, dass Arbeit auch Bedrohung oder Vernichtung heißen kann. Diese destruktive Seite der Arbeit müsste umfassender beleuchtet werden.
In der Frage nach Kontinuitäten und Brüchen zeichnete sich die gesamte Tagung über die Tendenz ab, zwischen ideologischen und praktischen Elementen zu unterscheiden. Dass es schon im 19. Jahrhundert eine Überhöhung von Arbeit gegeben hatte, wurde besonders von Wildt und Lüdtke betont. Gleichzeitig wurde aber anhand verschiedener Beiträge sichtbar, dass erst der Nationalsozialismus die „Ehre der Arbeit“ zur offiziellen Staatsdoktrin machte. Lüdtke schlug vor, nicht von einer Kontinuität, sondern von einem Anknüpfen an vorangegangene Ideen zu sprechen. Es wurden auch klare Brüche festgestellt, vor allem im Bezug auf die (gewaltsame) Praxis der (Zwangs-)Arbeit. Hier sei der Krieg als klare Zäsur zu verstehen.
Weitgehend ungeklärt blieb auf der Tagung die Frage nach der Spezifik eines deutschen bzw. nationalsozialistischen Arbeitsbegriffs und auch der Praxis, da trotz kleiner vergleichender Ansätze der komparative Aspekt keinen Platz mehr finden konnte. Vielleicht wird dies bei einer nächsten Tagung ja weiterführend diskutiert werden.
Konferenzübersicht:
Key Note Lecture
Alf Lüdtke: Deutsche Qualitätsarbeit: Ladungen, Resonanzen und Zuspitzungen einer Vorstellung
Panel 1: Traditionen des Arbeitsbegriffs
Inge Marßolek: Vom Proletarier zum ‚Soldaten der Arbeit‘. Zur Inszenierung der Arbeit am 1. Mai 1933
Michael Wildt: Hitlers Konzept der Arbeit
Katharina Schembs: Der Arbeiter als Zukunftsträger der Nation. Bildpropaganda im peronistischen Argentinien (1946-1955)
Kommentar: Jürgen Kocka
Panel 2: Arbeit und „Volksgemeinschaft“
Ulrich Prehn: Von roter Glut zu brauner Asche? Fotografien der Arbeit in Deutschland von den 1920er-Jahren bis in den Zweiten Weltkrieg – eine Bestandsaufnahme in Graustufen
Stefanie Schäfers: Die Ausstellung „Schaffendes Volk“ 1937
Martin Becker: Die Betriebs- und die Volksgemeinschaft als Grundlage des „neuen" NS-Arbeitsrechtsideologie im NS-Rechtssystem
Nicole Kramer: Die ‚stille Reserve‘ der Volksgemeinschaft. Frauenarbeit im Dritten Reich
Kommentar: Klaus Kiran Patel
Panel 3: Institutionen der Arbeit im Nationalsozialismus
Detlev Humann: Die ‚Arbeitsschlacht‘ als Krisenüberwindung
Rüdiger Hachtmann: Arbeit & Arbeitsfront – Ideologie & Praxis
Karsten Linne: Von der Arbeitsvermittlung zum ‚Arbeitseinsatz‘: Die deutsche Arbeitsverwaltung 1933-1945
Irene Raehlmann: Die Forschungen des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie im Nationalsozialismus
Kommentar: Dietmar Süß
Panel 4: Zwangsarbeit
Marc Buggeln: Unfreie Arbeit im Nationalsozialismus. Dimensionen und Vergleichsaspekte
Sabine Rutar: Arbeit und Überleben in Jugoslawien. Regionale Bergbaugesellschaften unter NS-Besetzung (1941-1944/45)
Christoph Thonfeld: NS-Zwangsarbeit in biographischer Perspektive und als Zuschreibungsressource
Kommentar: Tanja Penter
Panel 5: Arbeit, Verfolgung, Vernichtung
Julia Hörath: „Arbeitsscheue“ und „Volksgenossen“. Leistungsbereitschaft als Kriterium für In- bzw. Exklusion
Harriet Scharnberg: „Juden lernen arbeiten!“ Ein antisemitisches Motiv in der deutschen Bildpresse 1939-1941
Andrea Löw: Arbeit in den Ghettos. Rettung oder temporärer Vernichtungsaufschub?
Jens-Christian Wagner: Arbeit und Vernichtung in Dora-Mittelbau
Stefan Hördler: „Arbeitsunfähigkeit“ und „Arbeitsfähigkeit“ als Selektionskriterien
Kommentar: Alexander Nützenadel
Abschlussdiskussion
Zitation
Tagungsbericht: Arbeit im Nationalsozialismus, In: H-Soz-Kult, 25.02.2013, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-123293>.
https://www.hsozkult.de/
Arbeit im Nationalsozialismus: Ein Buchprojekt im Open Peer Review Taschenbuch – 15. September 2014
Arbeit war ein zentraler Begriff des Nationalsozialismus. Innerhalb der herzustellenden „Volksgemeinschaft“ diente „Arbeit“ als zentrales Praxisfeld von Inklusion der „Volksgenossinnen und Volksgenossen“. In den Konzentrationslagern der Vorkriegszeit bildete Arbeit das entscheidende Mittel der „Erziehung“, um Häftlinge in „Volksgenossen“ zu verwandeln. Im Krieg wurde Zwangsarbeit zur entscheidenden Ressource für die Fortführung der Rüstungsproduktion. Und schließlich entschied „Arbeitsfähigkeit“ über Leben und Tod von Juden, Roma und Sinti, sowjetischen Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen, Zwangsarbeitern. Dieser Vielschichtigkeit von Arbeit als sozialer, politischer, kultureller Praxis im Nationalsozialismus nähern sich die Beiträge des Bandes aus unterschiedlichen Perspektiven an, um Kontinuitäten und Differenzen von „Arbeit im Nationalsozialismus“ kenntlich zu machen. Die Beiträger/innen des Bandes stellen sich vor der Buchpublikation einem öffentlichen Reviewprozess: http://arbeit-im-nationalsozialismus.degruyter.com/
ARBEITSZWANG GEGEN „ASOZIALE“?
KONTINUITÄTEN DES KZ DACHAU IN DER UNMITTELBAREN NACHKRIEGSZEIT
(VON BENJAMIN BAUER)
Im Januar 1948 reichten CSU-Abgeordnete des Bayerischen Landtags den Antrag ein, das ehemalige Konzentrationslager Dachau als Umerziehungslager für „asoziale Elemente“ wiederzueröffnen. Der vorliegende Beitrag erörtert die ideologischen Kontinuitätslinien nationalsozialistischer Praxis gegen sogenannte Asoziale in der Nachkriegszeit, indem er die Landtagsdebatte zu diesem Beschluss untersucht und in den politischen Kontext einordnet. Vor allem im Kampf gegen Schwarzhandel in München griffen die CSU-Abgeordneten auf entmenschlichende Rhetorik zurück und argumentierten mit der bewährten Praxis der Arbeitslager. Die Position war in den unmittelbaren Nachkriegsjahren hegemonial: Nicht nur die SPD stimmte dem Antrag geschlossen zu – sekundiert wurde der Beschluss zudem vom Druck der Straße gegen vermeintlich Arbeitsscheue.
Bis zur Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch das US-Militär im April 1945 gingen etwa 200.000 Menschen durch die Haft – 41.000 Menschen wurden durch Massenerschießungen, Erschöpfung, medizinische Experimente oder Typhus infolge der Lagerbedingungen ermordet. Die US-Militärregierung übergab das ehemalige Lager nach wenigen Jahren in bayerische Verwaltung. So wurde im 1946 gegründeten Bayern bald überlegt, das ehemalige Konzentrationslager als Zwangsarbeitslager zu nutzen.1 Bereits im Oktober 1947 verfasste Hans Hagn, ein CSU-Abgeordneter und Mitglied im Ausschuss für sozialpolitische Fragen, gemeinsam mit 15 Parteikollegen einen Antrag, der sich auf das ehemalige Konzentrationslager Dachau bezog (Verhandlungen des Bayrischen Landtags, Beilage 786/1948). Am 16. Januar 1948 reichte Hagn den Antrag ein. Der Antrag lautete: „Die Staatsregierung sei zu beauftragen, mit der Militärregierung umgehende Verhandlungen aufzunehmen, um auf dem schnellsten Wege Lagerobjekte freizubekommen (Dachau) zur Errichtung von Arbeitslagern für asoziale Elemente“ (Verhandlungen des Bayrischen Landtags, PP 45/16.01.1948: 587–589).
Hagns Antrag wurde vom Landtag einstimmig angenommen. Der vorliegende Aufsatz diskutiert, inwiefern der Antrag in der Kontinuität nazistischer Herrschaft gegenüber Arbeits- und Erwerbslosen zu sehen ist.2 Dabei wird argumentiert, dass der Landtagsbeschluss sowohl in Vorstellung von Asozialität und Arbeitsscheue wie auch in der Rechtspraxis auf die Zeit des Nationalsozialismus zurückgriff. Um die Kontinuitätslinie des Landtagsbeschlusses zu erörtern, werden die rechtlichen Grundlagen und die Funktion des Konzentrationslagers Dachau als Arbeitslager und der Umgang mit sogenannten Asozialen im Nationalsozialismus geschildert. Diese werden mit der knappen Landtagsdebatte und dem historischen Kontext der Debatte in Beziehung gesetzt.
‚ARBEITSERZIEHUNGSLAGER‘ IM NATIONALSOZIALISMUS
Mindestens 16.600 Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau trugen einen grünen oder schwarzen Winkel und galten im Jargon des ‚Dritten Reichs‘ als Berufsverbrecher oder Asoziale. Für die Inhaftierung in das Konzentrationslager war keine konkrete Straftat notwendig, sondern lediglich eine angebliche Gefährdung der NS-‚Volksgemeinschaft‘ in sozialer, wirtschaftlicher und rassischer Dimension. Die Einweisung von ‚Asozialen‘ und ‚Berufsverbrechern‘ fußte hierbei auf konzertierten Aktionen von Fürsorge, Polizei und Justiz mit dem Zweck der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ (Eberle 2008: 253f.). Betroffen waren insbesondere subproletarische Schichten, deren Abhängigkeit von staatlicher Wohlfahrt nicht als Folge politischer Ökonomie erklärt, sondern als Ausdruck rassisch-eugenischer ‚Minderwertigkeit‘ verstanden wurde. Dementsprechend galten die kriminalisierten Handlungen der sogenannten Berufsverbrecher in der nationalsozialistischen Ideologie als Ausdruck ihres rassischen Wesens. Wegen dieses angeblich biologisch determinierten Wesens konnte die Inhaftierung von sogenannten Asozialen und Verbrechern als ‚Volksschädlinge‘ zum Schutz der Volksgemeinschaft legitimiert werden,3 statt sozialpolitische Maßnahmen einzuleiten und die Lebensbedingungen zu heben.
Dass in der nationalsozialistischen Ideologie ein innerer Zusammenhang zwischen kriminalisierter Handlung, vermeintlicher Arbeitsscheue und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge bestand, zeigen u. a. die Titel der groß angelegten Maßnahmen gegen angebliche Arbeitsscheue: Bereits Ende September 1933 wurde vom Reichsinnenministerium die ‚Bettlerrazzia‘ im gesamten Reichsgebiet durchgeführt und propagandistisch als Maßnahme gegen die ‚Bettelmafia‘ und ‚Landstreicher‘ – die damals häufig noch einfach ‚Wanderer‘ genannt wurden – aufgeladen. Die Gestapo verhaftete zudem gemeinsam mit der Kriminalpolizei im Jahr 1938 10.000 Menschen im Zuge der Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘ zur ‚vorbeugenden Verbrechensbekämpfung‘. Die Aktion richtete sich vor allem gegen Bettler, mittellose Alkoholkranke, Landstreicher, teilweise auch gegen Zuhälter und Personen, die mit Unterhaltszahlungen im Rückstand lagen, sowie gegen Sinti und Roma. Auch der nationalsozialistischen Rechtsprechung lag ein angenommener Zusammenhang von Arbeitsscheue, Kriminalität und Asozialität zugrunde. Beispielsweise galt das mehrmalige aus ‚Gewinnsucht‘ betriebene kriminelle Handeln in der NS-Rechtsprechung als eine Voraussetzung für die vorbeugende Haftanordnung. Um diese Gewinnsucht nachzuweisen, verwiesen viele Haftanträge auf das angebliche arbeitsscheue Verhalten der Zielpersonen. Dagegen war Arbeitsbereitschaft und Arbeitsleistung Grund der KZ-Entlassung (vgl. Hörath 2014).
Die nationalsozialistische Rechtspraxis stützte sich u. a. auf das Fürsorgerecht der Weimarer Republik, da Paragraf 20 der Reichsfürsorgepflichtverordnung (RFV) die wichtigste rechtliche Grundlage zur Einweisung von ‚Asozialen‘ in Arbeitshäusern war. Seit Juni 1934 sah auch Paragraf 42 des Reichstrafgesetzbuches die Unterbringung im Arbeitshaus vor, um den Inhaftierten „zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen“ (Fuchs 2010: 183). Der Paragraf bezog sich auf Personen, die wegen Trunksucht, Bettelei aus Liederlichkeit oder Arbeitsscheue, Landstreicherei oder Unzucht zum gewohnheitsmäßigen Erwerb festgenommen wurden. Seit 1937 konnte die Arbeitshausunterbringung auch zur Vorbeugehaft eingesetzt werden, wodurch die als ‚asozial‘ stigmatisierten Zielpersonen endgültig der Willkür des Maßnahmenstaates ausgeliefert wurden. Die Gesetze zeigen die Varianz der Zielpersonen, die als ‚Asoziale‘ gefasst und als Gegenstück der NS-Volksgemeinschaft begriffen wurden.
Das KZ Dachau spielte im Terror gegen ‚Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘ eine gewichtige Rolle. Im März 1934 rühmte der Leiter der Politischen Polizei, Heinrich Himmler, die Effizienz des Konzentrationslagers in einem Schreiben an das Bayerische Innenministerium:
Es muß anerkennend hervorgehoben werden, daß das Lager als Erziehungsstätte für Arbeitsscheue nur Ersprießliches geleistet hat. Die Arbeitshäuser haben vor allem ihre renitentesten Insassen in das Lager abgeschubt [sic!]. Das Benehmen dieser Leute in den ersten 24 Stunden im Lager Dachau war auch dementsprechend. Durch den nur im Lager Dachau möglichen scharfen Zugriff gelang es in kurzer Zeit, aus diesen Berufsverbrechern Menschen zu machen, die sich wenigstens nach außen hin ohne jede Widersetzlichkeit in die straffe Ordnung und Disziplin des Lagers einfügten; ein Erfolg, der in den Arbeitshäusern nie hätte erzielt werden können. Dieser Erfolg war jedoch nur dadurch möglich, daß den Leuten eine ständige gleichbleibende Arbeit zugewiesen werden konnte. (Himmler 1998: 139)
Von den bayerischen Fürsorgeverbänden begrüßt, erkannte das Bayerische Innenministerium das KZ Dachau ein halbes Jahr nach Himmlers Schreiben als eine Arbeitsanstalt nach Paragraf 20 RFV an, was die Einweisung von ‚Arbeitsscheuen‘ in das Konzentrationslager ermöglichte. Der Bezirksfürsorgeverband der Stadt München bzw. das Wohlfahrtsamt der Stadt verhängten diese Zwangsmaßnahme bereits seit Juli 1933 und gehörten im Nationalsozialismus „bayernweit bei den Einlieferungen ins KZ Dachau quantitativ zu den ‚Spitzenreiten‘“ (Brunner 1997: 264). Etwa jeder vierte der über 16.000 Inhaftierten mit schwarzem oder grünem Winkel überlebte Dachau nicht. Damit lag deren Sterberate 9 Prozent über den Sterberaten der anderen deutschen und österreichischen Häftlinge (Eberle 2008: 254).
KONTINUITÄT UND REINTEGRATION
Im postnazistischen Bayern knüpfte die Regierung an der Institution Dachau als Arbeitslager an. Die grausame Effizienz des KZ Dachau war vermutlich auch Hans Hagn und den anderen Mitberichterstattern bekannt, als sie 1948 den Antrag zur Nutzung des ehemaligen KZ als „Arbeitslager für asoziale Elemente“ in den Landtag einbrachten. Von den 15 CSU-Abgeordneten, die den Antrag im Oktober 1947 einreichten, war Rupert Berger sogar selbst 1933 für einige Zeit im KZ Dachau inhaftiert. Der Antrag wurde von Hagn als Berichterstatter des sozialpolitischen Ausschusses mit dem erzieherischen Aspekt der Arbeitslager begründet.4 Im Protokoll heißt es u. a.:
Der Berichterstatter zeigte die Notwendigkeit der Errichtung von Arbeitslagern an der heutigen schwer gefährdeten Sicherheit auf. Wie sich an dem Beispiel des Münchner Hauptbahnhofs erwiesen habe, wirkte die Ankündigung der Einweisung in ein Arbeitslager Wunder. Die bisherige Methode des Einsperrens nütze nichts. Dagegen könne den Betreffenden in Arbeitslagern das Arbeiten beigebracht werden. Der Mitberichterstatter verwies vor allem auf die Bedeutung von Arbeitslagern als Stätten der Umerziehung von arbeitsscheuen Elementen hin zu willig arbeitenden Menschen. (Verhandlungen des Bayerischen Landtags, PP 45/16.01.1948: 587)5
Indem im Bericht die Qualität Dachaus als Arbeitslager angesprochen wurde, bezogen sich die Antragsteller auf die Praxis des NS und nationalsozialistisches Wissen im Umgang mit ‚Asozialen‘. Zudem deutet auch die begriffliche Kontrastierung von „arbeitsscheuen Elementen“ und „willig arbeitenden Menschen“ Residuen spezifisch nationalsozialistischer Arbeitsethik an, die die Anerkennung als Menschen an die Arbeitswilligkeit knüpfte.6 Dass die Praxis der Zwangsarbeit als Strafe und Erziehung sowie der Ort Dachau als Straflager auch den potenziellen Häftlingen drei Jahre nach der Niederlage des Regimes bekannt war, deutete Hagn in seiner Begründung ebenfalls an: Dessen primäres Argument für die Wiedereröffnung des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau als Arbeitslager war schließlich die Wirkung der Arbeitslager als Drohung auf potenzielle Häftlinge am Münchner Hauptbahnhof. Die angenommene Wirkung dieser Drohung ist kaum verwunderlich, denn die Willkür der oben geschilderten vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und das Drohszenario von Zwangsarbeit waren den potenziellen Zielgruppen sicherlich noch gegenwärtig.
Der Münchner Hauptbahnhof, der den Berichterstattern ein zentraler Angriffspunkt für die Maßnahmen gegen ‚Arbeitsscheue‘ war, galt neben der Möhlstraße, dem Bahnhof München-Pasing sowie den Mathäser Hallen als gewichtiger Ort des städtischen Schwarzhandels, gegen den die Münchner Polizei seit September 1945 mit eskalierenden Maßnahmen vorging: Etwa 3.800 Personen wurden im Zuge von Razzien gegen Schwarzhändler im Jahr 1946 festgenommen. Anfang 1947 wurde ein eigenes Schnellgericht für Schwarzhändler eingeführt und im Herbst 1947 sollten Schwarzhändler, die zum zweiten Mal dem Schnellgericht überführt wurden, mit bis zu zwei Jahren Arbeitslager bestraft werden (vgl. Nussbaumer 1994: I/218). Auf dieses repressive Mittel spielte Hagn zum einen an und wollte zum anderen den Kampf gegen Schwarzhandel mit der Eröffnung des ehemaligen KZ Dachau als Arbeitslager weiter ausbauen.
Indem Hagn für die Arbeitslager als Maßnahme gegen mutmaßliche Verbrecher plädierte, stand der Antrag in einer Kontinuitätslinie zu der im NS-Regime üblichen vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Die Nähe zur nationalsozialistischen Praxis legt auch der von Hagn in der Landtagsdebatte zitierte Bericht der Münchner Kriminaldirektion nahe: Für die über 5.500 im Jahr 1947 in München wegen „Bettelns, Landstreicherei und Ausweislosigkeit“ Festgenommenen wurde laut Bericht eigens ein Lager in München-Pasing eingerichtet. Die Arbeitslosen waren aus Sicht der Polizei arbeitsscheu und stammten aus außerbayerischen Gebieten. Die Gefahr sei weitaus größer, denn die Festgenommenen stellten nur „einen Bruchteil jener Asozialen dar […], die laufend das Agrarland Bayern durchwandern“ und „zum Teil selbst offen zugeben“, dass es sich hier „gut leben lässt und zwar in ihrem Sinne, nämlich ohne Arbeit“. Dieser „Überflutung“ müsse Einhalt geboten werden.7 Allerdings habe sich die Arbeitsanstalt in Pasing schnell für die Polizei als „ungeeignet“ gezeigt, „weil nicht der nötige massierte Arbeitseinsatz garantiert war und die Leute, nachdem sie sich erholt, ausgeruht und orientiert hatten, wieder flüchtig gingen“. Um diesen Eigensinn der Arbeitslosen zu brechen – das impliziert die Kritik an der mangelnden Arbeitsintensität – forderte die Kriminalpolizei die Einrichtung von Arbeitslagern, in denen die Arbeitsintensität Inhaftierte zur permanenten Erschöpfung zwingen sollte.
Die geforderte Eskalation polizeilicher Maßnahmen gegen Arbeitslose ist auch angesichts des gleichzeitigen Rückgangs der Arbeitslosenzahlen in Bayern frappierend: Das Bayerische Statistische Landesamt konnte im am 2. Januar 1948 abgeschlossenen Bericht zur Entwicklung von Staat und Wirtschaft in Bayern vermelden, dass „sich im Herbst 1947 erstmals keine jahreszeitlich bedingte Erhöhung, sondern ein weiterer Rückgang der Arbeitslosenziffer“ zeigte (Bayerisches Statistisches Landesamt 1948: 12). Lag die absolute Zahl der in Bayern als arbeitslos gemeldeten Personen im September 1946 noch bei 316.158, sank sie bis Oktober 1947 auf 173.657 (ebd.: 12). Zudem wurde in einem internen Bericht des Ministeriums für Arbeit und Soziale Fürsorge Ende Januar die Zahl der Arbeitslosen durchaus gering eingeschätzt. Von den im Januar 1948 ca. 175.000 Arbeitslosen galten rund 26 000 bereits vermittelt und knapp 58.000 waren wegen Kriegsversehrungen gar nicht ‚vollarbeitsverwendungsfähig‘ (BMfAuSF 1948: 4–5). Obwohl sich die Inanspruchnahme von Arbeitslosen- und Kurzarbeitsunterstützung im Januar verdreifachte, erkannte das Ministerium die Gesamtzahl „als wieder gering“ an (BMfAuSF 1949: 10). Die geringe Belastung der Münchner Wohlfahrt führte das Statistische Amt der Landeshauptstadt 1947 darauf zurück, dass die Produktion zum einen „merkwürdig viele Arbeitskräfte bindet“, dass die Gesellschaft „überaltert“ ist und dass die „Geldunterstützung heute auch für den Fürsorgeempfänger nur beschränkten Wert hat“. Es fehlten Sachwerte wie „Obdach, warme Kleidung, Schuhwerk, Hausrat“, die die Wohlfahrt jedoch nicht zur Verfügung stellen könne, weshalb viele auf Unterstützung verzichten und sich mit „Schwarzhandelsgeschäften“ durchschlagen würden. Eine gefährliche Belastung der städtischen Wohlfahrt erkannte das Amt deswegen nicht (Statistisches Amt der Landeshauptstadt 1947: 47f.). Der Schwarzhandel war also eine Überlebensstrategie vieler Personen angesichts der rudimentären Versorgungsleistungen staatlicher Wohlfahrt in den ersten Nachkriegsjahren – statt Folge einer angeblich grassierenden arbeitsscheuen Haltung, die die Polizei attestierte.
Die Kontinuität des nationalsozialistischen Denkens in der Nachkriegszeit zeigt sich in verschiedenen Aspekten: Die Rhetorik der Entmenschlichung Arbeitsloser und von Armut getroffener, die Kriminalisierung von Überlebensstrategien und das Wiederaufgreifen der auch in der nationalsozialistischen Praxis gängigen Vermengung von Fürsorge und vorbeugender Verbrechensbekämpfung gehören zu diesen Aspekten, die im Versuch, die Funktionalität des KZ Dachau weiterzuführen, auf einen Höhepunkt zuliefen.
Die Reintegration der NS-Ortes blieb auch von den Sozialdemokraten in der Landtagsverhandlung unwidersprochen. Hagns Mitberichterstatter war der Ministerialreferent des Ministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, der Sozialdemokrat und ehemalige Gewerkschafter Richard Oechsle. Er berichtete laut Landtagsprotokoll unterstützend, dass vom Arbeitsministerium bereits ein Gesetzesentwurf zur „Bekämpfung von Arbeitsscheue und Arbeitsbummelei“ erstellt werde, welcher als rechtliche Grundlage zur Intensivierung der Arbeitslager diene, obwohl in seinem Ministerium, wie oben vorgestellt, weder die Belastung der Arbeitsämter noch die absolute Zahl der Arbeitslosen als besonders hoch eingeschätzt wurde. Der sozialdemokratische Abgeordnete Hans Beck, der in der kurzen Landtagsdebatte das Wort ergriff, legte ebenfalls keinen prinzipiellen Einwand vor und teilte die Vorstellung, armutsbedingte Überlebensstrategien als Arbeitsscheue zu kriminalisieren. Er wies zwar darauf hin, dass nicht jeder Fremde arbeitsscheu sei, wodurch die Gefahr bestehe, dass die arbeitswilligen Fremden mit ‚Arbeitsscheuen‘ über Jahre hinweg in Lagern gehalten und damit vom Arbeitsmarkt abgehalten werden könnten. Dennoch bezweifelte er die Relevanz der Arbeitslager nicht und hielt sie „in bestimmten Fällen [für] notwendig“. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Flankiert wurde dieser Landtagsbeschluss vom Druck der Straße. Die katastrophalen Produktionsbedingungen führten vor allem in den Wintermonaten zu Engpässen in der Versorgung von Lebensmitteln.8 Die Kalorienrationen wurden im Winter 1947/48 empfindlich gesenkt, wogegen Arbeiterinnen und Arbeiter agitierten. Am 7. Januar beispielsweise setzten allein in München 8 000 Metallarbeiter in wilden Streiks die Arbeit aus, um für höhere Lebensmittelzuteilungen zu protestieren. Der kurz zuvor gegründete Bayerische Gewerkschaftsbund koordinierte bald die Proteste der Arbeiterinnen und Arbeiter (vgl. Erker 1988: 95–96). Am 17. Januar, also einem Tag nach dem Landtagsbeschluss, reichte er sieben ultimative Forderungen zu Verbesserung der Ernährungslage an die Bayerische Staatsregierung ein. Darunter lautet Punkt fünf: „Einweisung aller asozialen Elemente in Arbeitslager“ (zitiert nach Erker 1988: 96). Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, rief der Gewerkschaftsbund am 23./24. Januar zu demonstrativer Arbeitsruhe auf, der sich über eine Million bayerische Arbeiter und Angestellte anschlossen (vgl. Erker 1988: 97). Bei den Protestveranstaltungen, die im Rahmen dieses Streiks durchgeführt wurden, wurden auch Plakate mit der Aufschrift „Nur wer arbeitet, soll auch essen“ getragen (vgl. Henker 1995: 61). Die Einweisung sogenannter ‚Asozialer‘ in Arbeitslager war also über politische Gruppen hinweg Konsens. Die Gewerkschaften schlossen mit ihren Forderungen keineswegs die Schwächsten der Gesellschaft ein, sondern zielten darauf, den Normalverbraucher zu repräsentieren, weshalb der arbeitslosenfeindliche Landtagsbeschluss auch von ihrer Unterstützung getragen war. Mit dem einstimmigen Beschluss, das ehemalige Konzentrationslager als Arbeitslager erneut zu nutzen, wurde also für kurze Zeit eine Institution des NS-Terrors transformiert und in das demokratisch regierte Bayern überführt. Folgt man den Forschungen von Dagmar Lieske zum Terror gegen sog. ‚Berufsverbrecher‘ und zum Umgang mit dieser Opfergruppe in der Nachkriegszeit, erscheint diese Sichtweise als kein singuläres Ereignis. Die „Einweisung von ‚Kriminellen‘ in Konzentrationslager wurde generell nicht als Unrecht wahrgenommen, sondern allenfalls als zu hohes ‚Strafmaß‘ bewertet“. Deshalb „erschien die Einweisung in die Lager mittels polizeilicher Maßnahme weniger als spezifisches Instrument des nationalsozialistischen Staates, sondern vielmehr als Fortsetzung einer an sich gerechtfertigten Maßnahme“ (Lieske 2016: 324). Auch in Hamburg wurde geplant, auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme eine Haftanstalt zu eröffnen – und zwar mit der „intention of erasing Neuengamme’s bad name“ (Marcuse 2001: 159–160). Vor diesem Hintergrund könnte auch der Landtagsbeschluss zur Konversion des ehemaligen KZ Dachau in ein Zwangsarbeitslager die Funktion der Amnesie gehabt haben.
NACHSPIEL
Der Versuch, das ehemalige KZ als Zwangsarbeitslager wieder zu nutzen, scheiterte. Da die Zunahme an Flüchtlingen in Bayern infolge der Blockbildung es nötig machte, die freien Flächen für die Unterkunft von Geflüchteten zu nutzen, beschloss der Landtag im April 1948, im ehemaligen KZ Dachau Flüchtlinge unterzubringen (Verhandlungen des Bayerischen Landtags, PP 68/29.04.1948: 1364), und billigte über 5 Millionen DM zum Umbau des ehemaligen KZ in ein Wohnlager.9 Der Sachzwang verhinderte die Reintegration des KZ als ‚Pflichtarbeitslager‘ in die Bundesrepublik. Allerdings blieb das Herrschaftsinstrument der Arbeitsanstalt zunächst erhalten. Als die US-Militärverwaltung in ihrem Hoheitsgebiet 1949 sämtliche Arbeitsanstalten schloss und die gesetzliche Legitimation für deren Existenz aufhob, gehörte die unbezahlte Pflichtarbeit noch zum Repertoire kommunaler Behörden, da zwischen 80 und 90 Landkreise und Städte Fürsorgeempfänger zu dieser Form der Arbeit verpflichteten. Noch 1955 wurden etwa 70 Mädchen in Bamberg in ein Arbeitshaus eingewiesen. Erst 20 Jahre später wurde diese Praxis durch die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts beendet (vgl. Rudloff 2002: 361–364).
1 Ausführlich zur Geschichte und Nachgeschichte des Konzentrationslagers Dachau siehe Marcuse 2001. Einführend zum KZ Dachau siehe Hammermann 2008 und zur Nachgeschichte Marcuse 1990.
2 Allgemein zum Neubeginn in Bayern und der US-amerikanischen Besatzung siehe Krauss 2007: 59–90.
3 Die rassistische Erklärung sozioökonomisch bedingter Ungleichheit und damit die eugenische Diffamierung kriminalisierten Handelns ist Bestandteil des rassistischen Konzeptes nationalsozialistischer Volksgemeinschaft. Dabei kann diese Volksgemeinschaft mit Detlev Peukert in einen nach außen wirkenden ethnischen Rassismus und einen nach innen wirkenden eugenischen Rassismus unterschiedenen werden, vgl. Peukert 1982: 246–279.
4 Zu den Antragsstellern siehe: Beilage zu den Verhandlungen des Bayerischen Landtags (Nummer 786/1948).
5 Sofern nicht anders angegeben, sind zitierte Textstellen diesem Protokoll entnommen.
6 Zum Verhältnis von NS-Arbeitsethos und Ausschluss von „Arbeitsscheuen“ aus der „Volksgemeinschaft“ siehe Lelle 2016.
7 Die Auslagerung der Gründe für die schlechte Wirtschafts- und Ernährungslage an Nicht-Bayern, etwa an die US-Militärregierung, die angeblich Rationierung als Druckmittel nutzte, oder an Norddeutsche, die durch Bayern streiften, hing eng mit der eigenstaatlichen Haltung politischer Institutionen in Bayern zusammen. Die Grundhaltung wird in der Forschung immer wieder als ‚bayerische Stimmung‘ bezeichnet, die auch von Polizeimeldungen befeuert wurde, vgl. Griess 1991: 232–234.
8 Zu den strukturellen Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung Bayerns während der Besatzungszeit siehe: Willenborg 1988: 121–142.
9 Im September bewilligte der Landtag 3 Millionen DM, siehe Verhandlungen des Bayerischen Landtags, Plenarprotokoll (87/22.09.1948: 88). Im Dezember bewilligte er weitere 2,26 Millionen DM, siehe Verhandlungen des Bayerischen Landtags, Plenarprotokoll (94/2.12.1948: 359).
QUELLEN
Bayerisches Statistisches Landesamt (1948): Berichte zur Wirtschaftslage: Die Entwicklung von Staat und Wirtschaft in Bayern seit dem Zusammenbruch 1.
BMfAuSF (1948): Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziale Fürsorge, Arbeit und Wirtschaft in Bayern im Januar 1948. In: Arbeit und Wirtschaft in Bayern 3, S. 4–5.
Fuchs, Thomas (2010): Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871: Historisch-synoptische Edition 1871–2009. Mannheim, S. 183.
Henker, Michael (1995): Bayern nach dem Krieg: Photographien 1945–1950. Augsburg.
Himmler, Heinrich (1934 | 1998): Brief an das Referat 18 des bayerischen Innenministeriums, München, 27. März 1934. In: Ayaß, Wolfgang [Hrsg.]: „Gemeinschaftsfremde“. Quellen zur Verfolgung von Asozialen 1933–1945 (Materialien aus dem Bundesarchiv 5). Koblenz, S. 139.
Statistisches Amt der Landeshauptstadt (1947): Großstädtische Wohlfahrtslasten. In: Münchner Statistik 4, S. 57–58.
Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Beilage (Nummer 786/1948).
Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Plenarprotokoll (45/16.01.1948).
Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Plenarprotokoll (68/29.04.1948).
Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Plenarprotokoll (87/22.09.1948).
Verhandlungen des Bayerischen Landtags. Plenarprotokoll (94/02.12.1948)
LITERATUR
Brunner, Claudia (1997): Arbeitslosigkeit im NS-Staat: Das Beispiel München. Centaurus Verlag & Media: Pfaffenweiler.
Eberle, Anette (2008): „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“: Dachau als Ort der „Vorbeugehaft“. In: Benz, Wolfgang/Königseder, Angelika [Hrsg.]: Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Metropol-Verlag: Berlin, S. 253–268.
Erker, Paul (1988): Solidarität und Selbsthilfe: Die Arbeiterschaft in der Ernährungskrise. In: Benz, Wolfang [Hrsg.]: Neuanfang in Bayern. Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit. Beck: München, S. 82–102.
Griess, Reiner (1991): Die Rationen–Gesellschaft: Versorgungskampf und Vergleichsmentalität. Leipzig, München und Köln nach dem Kriege. Verlag Westfälisches Dampfboot: Münster.
Hammermann, Gabriele (2008): Das Internierungs- und Kriegsgefangenenlager Dachau 1945–1948. In: Benz, Wolfgang/Königseder, Angelika [Hrsg.]: Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Metropol-Verlag: Berlin, S. 126–146.
Hörath, Julia (2014): „Arbeitsscheue Volksgenossen“: Leistungsbereitschaft als Kriterium der Inklusion und Exklusion. In: Buggeln, Marc/Wildt, Michael [Hrsg.]: Arbeit im Nationalsozialismus. Oldenbourg Verlag: München, S. 309–328.
Krauss, Marita (2007): Amerikanische Besatzungskultur und „konstruktive Transformation“ im Jahr 1945: Das Beispiel Bayern. In: Braun, Hans/Gerhard, Uta/Holtmann, Everhard [Hrsg.]: Die lange Stunde Null. Gelenkter Sozialer Wandel in Westdeutschland nach 1945. Nomos: Baden-Baden, S. 59–90.
Lelle, Nikolas (2016): Hinter dem Ruf nach deutscher Arbeit verschanzt sich die Volksgemeinschaft: Überlegungen zu einem vernachlässigten Element des Nationalsozialismus. In: Busch, Charlotte/Gehrlein, Martin/Uhlig, Tom David [Hrsg.]: Schiefheilungen. Zeitgenössische Betrachtungen über den Antisemitismus. Springer VS: Wiesbaden, S. 179–200.
Lieske, Dagmar (2016): Unbequeme Opfer? „Berufsverbrecher“ als Häftlinge im KZ Sachsenhausen (Forschungsbeiträge und Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten 16). Metropol Verlag: Berlin.
Marcuse, Harold (1990): Das ehemalige Konzentrationslager Dachau: Der mühevolle Weg zur Gedenkstätte 1945–1968. In: Benz, Wolfgamg/Diestel, Barbara [Hrsg.]: Dachauer Hefte 6: Erinnern oder verweigern – das schwierige Thema Nationalsozialismus. Verlag Dachauer Hefte: Dachau, S. 182–205.
Marcuse, Harold (2001): Legacies of Dachau: The Uses and Abuses of a Concentration Camp, 1933–2001. Cambridge University Press: Cambridge.
Nussbaumer, Josef (1994): Wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt München 1945–1990. In: Gesellschaft für Wirtschaftsdokumentationen [Hrsg.]: Münchner Wirtschaftschronik. GFW-Verlag: Wien, S. I/211–I/245.
Peukert, Detlev (1982): Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde: Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus. Bund-Verlag: Köln.
Rudloff, Wilfried (2002): Im Schatten des Wirtschaftswunders: Soziale Probleme, Randgruppen und Subkulturen 1949 bis 1973. In: Schlemmer, Thomas/Woller, Hans [Hrsg.]: Bayern im Bund. Band 2. Gesellschaft im Wandel 1949–1974. Oldenbourg Verlag: München, S. 347–467.
Willenborg, Karl-Heinz (1988): Bayerns Wirtschaft in der Nachkriegszeit: Industrialisierungsschub als Kriegsfolge. In: Benz, Wolfgang [Hrsg.]: Neuanfang in Bayern. Politik und Gesellschaft in der Nachkriegszeit. Beck: München, S. 121–142.
https://www.idz-jena.de/
BENJAMIN BAUER
158
Arbeitszwang gegen „Asoziale“? Kontinuitäten des KZ Dachau in der unmittelbaren Nachkriegszeit
159
Arbeitszwang gegen „Asoziale“?
Kontinuitäten des KZ
Dachau in der unmittelbaren
Nachkriegszeit
https://www.idz-jena.de/
Arbeit, Volk, Gemeinschaft: Ethik und Ethiken im Nationalsozialismus (Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust)
Die von Deutschen im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen wären nicht möglich gewesen ohne die Existenz eines Geflechts von geteilten ethischen Überzeugungen. "Dichte" Begriffe wie "Arbeit", "Volk" oder "Gemeinschaft" sind Knotenpunkte dieses gedanklichen Gebildes. In den Beiträgen dieses Bandes geht es nicht nur darum, nationalsozialistische Normativität historisch darzustellen. Vielmehr werden auch Vorschläge zur Analyse dieser Begriffe gemacht. Ein wesentlicher Teil dieses Bemühens ist die Untersuchung von Ethiken nationalsozialistisch orientierter Philosophen.
3. Online-Artikel zu AFD-Anwendung von NS-systemischer Umsetzung und Propaganda der Arbeitslager sowie die AFD-verfassungswidrige Kennzeichnung von betroffenen Opferzielgruppen mit NS-Labeling
Wieder Arbeitslager? Die AfD in Düsseldorf will eine Kaserne für Obdachlose und Asylbewerber einrichten
Redaktion contra AfD Von Redaktion contra AfD 14.04.2025
Lageransicht mit Todeszäunen in Auschwitz
Seit 2018 steht die Bergische Kaserne im Osten Düsseldorfs leer. Die Düsseldorfer AfD will diese nun für ein „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“ (kurz: „ZGC“) umwandeln. Dies steht im Kommunalwahlprogramm der AfD. So hat die „Rheinische Post“ am 10.04.2025 berichtet. Im „ZGC“ sollen drogensüchtige Obdachlose und Asylbewerber untergebracht werden. Ein „kompaktes Ausbildungsprogramm zwecks gesellschaftlicher Reintegration“ soll stattfinden. Ein Teil des Geländes soll zur „Heranziehung von arbeitsfähigen Asylsuchenden dienen“. Diese sollen „im laufenden Verfahren zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden und ebenfalls dort untergebracht …“ werden. Laut Elmar Salinger, Kreisvorsitzender der AfD Düsseldorf, sei dies „ein zentrales Sozialprojekt“. Damit ende die Zeit des „liberalen Laissez-faire“.
Kaum verschlüsselt zeigt die AfD mit ihrem Vorstoß, welchen Geistes Kind sie ist. Bewusst stellt sie sich in die Tradition der Nazis, für die das Selbstbestimmungsrecht der Menschen nichts galt. Vertreibungs- und Arbeitsdienstpläne gehörten zum Wesen dieser Politik. Sie führte in der Konsequenz zur massenhaften Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern.
Natürlich will die AfD mit diesem Vorstoß Aufmerksamkeit erregen und so ins Gespräch kommen. Wenn die Kritik dann heftig wird, kann die Wortwahl immer noch etwas gemäßigt werden, ohne vom Wesen des Vorschlages abzurücken. So hieß es im Entwurf des Wahlprogramms noch in deutlicheren Worten: “In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose Personen werden verpflichtend in die ZGC verbracht.“ Und immer kann die AfD behaupten, dass ihre Menschenverachtung nichts als Meinungsfreiheit sei.
Das Düsseldorfer Projekt der AfD ist Teil der Radikalisierung dieser rechtsextremen Partei. Sie zeigt offen, dass sie die freiheitliche und demokratische Grundordnung ablehnt. Umso verstörender sind die Verharmlosungsaktionen aus den Reihen der Union. Da wollen CDU-Politiker in Sachsen-Anhalt und anderen Ländern die Zusammenarbeit mit der AfD normalisieren. Da will der CDU-Politiker Jens Spahn im Bundestag mit der AfD umgehen „wie mit jeder andern Partei“. In unguter Erinnerung ist noch die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD zur Asylpolitik vor der Bundestagswahl. Diese Politik trägt wesentlich zur Verharmlosung und zur Stärkung der AfD bei. Zudem schwächt sie die CDU/CSU.
Es gibt nur eine realitätsgerechte Haltung zur AfD – sie muss konsequent bekämpft werden. Und da sie die freiheitliche-demokratische Grundordnung ablehnt und zerstören will, gehört sie verboten.
https://www.blog-der-republik.de/
Sozialrassismus: Die AfD plant Arbeitslager im Stile der NS-Diktatur
Kvasir
13.04.2025, 01:50
fiftyfifty: , Die rechtsextreme Partei AfD will drogensüchtige Obdachlose und Asylbewerber auf dem Gelände der Bergischen Kaserne zwangsweise unterbringen. Die AfD nennt das „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“, kurz ZGC. „In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose Personen werden verpflichtend in die ZGC verbracht“, steht im Entwurf des Wahlprogramms für die anstehende Kommunalwahl. „Nach einer Phase der Entgiftung und körperlichen Genesung" sei ein „kompaktes Ausbildungsprogramm zwecks gesellschaftlicher Reintegration für die wohnungslosen Menschen vorgesehen“, heißt es weiter. Damit will die AfD der „grassierenden Obdachlosigkeit im Bereich der Innenstadt begegnen und zudem einen Beitrag zur Integration beziehungsweise Reintegration leisten.“
Das was die AfD als Lösung für soziale Probleme propagiert, orientiert sich an nationalsozialistischem Gedankengut. Seit Jahren warnt das Straßenmagazin fiftyfifty vor einem um sich greifenden Sozialrassismus, der sich immer stärker gegen die Ärmsten der Armen richtet. Wir müssen gerade die Schwachen in unserer Gesellschaft schützen. „Es ist typischer billiger Rechtspopulismus, eine vermeintlich einfache Lösung zu propagieren und sich gegen die zu wenden, die sich kaum wehren können“, sagt die Rechtsextremismusforscherin Sabine Reimann von der Hochschule Düsseldorf. „Das erinnert an Arbeitslager. Wie geschichtsvergessen oder dreist kann man sein, so etwas zu schreiben?“, kritisiert Michael Harbaum, der Geschäftsführer des Düsseldorfer Drogenhilfezentrum.
Das Straßenmagazin fiftyfifty wird bis zur Kommunalwahl Aktionen und Proteste gegen die AfD unterstützen.
Am Dienstag, 15.04.2025 rufen fiftyfifty und das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ zu Protesten um 18:30 Uhr gegen eine Veranstaltung der Düsseldorfer AfD vor dem Bürgerhaus Bilk auf, wo genau dieses Wahlprogramm beschlossen werden soll.
https://www.fischundfleisch.com/
AfD-Plan für Obdachlose und Migranten entsetzt: „Das erinnert an ein Arbeitslager“
In Düsseldorf
AfD-Plan für Obdachlose und Migranten entsetzt: „Das erinnert an ein Arbeitslager“
dpa
Markus Altmann
Donnerstag, 10.04.2025, 14:36
In einem ersten Entwurf will die Düsseldorf AfD in der Bergischen Kaserne Asylsuchende und suchtkranke Obdachlose verpflichtend zentralisiert unterbringen. Das sorgt für Entsetzen bei Politikern und Experten.
Die AfD in Düsseldorf hat vorgeschlagen, auf dem Gelände der ehemaligen Bergischen Kaserne eine Unterkunft für Asylbewerber und drogensüchtige Obdachlose zu errichten. Das geht aus dem AfD-Kommunalwahlprogramm hervor, welches der "Rheinischen Post" vorliegt.
Das seit 2018 leerstehende Gebäude soll nach Ansicht der AfD künftig „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“ heißen. Es soll unter anderem für die „Heranziehung von arbeitsfähigen Asylsuchenden" für gemeinnütziger Arbeit dienen. "In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose Personen werden verpflichtend in die ZGC verbracht“, heißt es in einem ersten Entwurf, der später etwas abgeschwächt wurde.
"Das entspricht grundsätzlich extrem rechter Ideologie"
Der AfD-Vorschlag stößt dabei auf heftige Kritik, unter anderem auch wegen der Wortwahl. „Das geht völlig an der Realität vorbei", sagt Michael Harbaum, Geschäftsführender Vorstand der Düsseldorfer Drogenhilfe. Er zeigt sich erschüttert von diesem Vorschlag und fügt hinzu: "Das erinnert an Arbeitslager. Wie geschichtsvergessen oder dreist kann man sein, so etwas zu schreiben?“
"Das entspricht grundsätzlich extrem rechter Ideologie, so einen Blick auf Menschen zu haben. Es ist typischer billiger Rechtspopulismus, eine vermeintlich einfache Lösung zu propagieren und sich gegen die zu wenden, die sich kaum wehren können", sagt die Forscherin für Rechtsextremismus Sabine Reimann gegenüber "RP".
"Solche Überlegungen sind menschenverachtend"
Auch in der Kommunalpolitik sorgt der Vorschlag der AfD für Entsetzen. "Das AfD-Kommunalwahlprogramm zur Nutzung der Bergischen Kaserne hat mich tief entsetzt. Es erinnert mich an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte", sagt Klaudia Zepuntke (SPD), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Soziales. Ihrer Ansicht nach zeige dieses "Selbstzeugnis, wessen Geistes Kind die AfD ist." Zepuntke weiter: "Solche Überlegungen sind menschenverachtend und mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar.“
Elmar Salinger, Kreisvorsitzender der AfD Düsseldorf, bestätigte die Pläne ihrer Partei. In der abgeschwächten Fassung heißt es nun: „In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose und/oder schwer suchtkranke Personen werden nach Möglichkeit in dem ZGC untergebracht und betreut.“
3000 Menschen wären laut "RP" von den AfD-Plänen betroffen. Darunter sind 2778 Obdachlose und 846 Asylsuchende.
https://www.focus.de/
AfD in NRW: Schock-Plan für Obdachlose und Flüchtlinge – „Arbeitslager“
von Marie Bonnet
10.04.2025 - 22:41 Uhr
Was die AfD in Düsseldorf (NRW) mit Obdachlosen und Asylsuchenden vorhat, schockiert zutiefst.
© IMAGO/Presse-Photo Horst Schnase
Die AfD hat bereits so manche Idee geäußert, die für Entsetzen in der Politik und Gesellschaft gesorgt hat. Doch mit diesem Vorstoß in NRW macht sie sich wirklich keine Freunde. Wissenschaftler und Politiker können es kaum fassen.
AfD in NRW will Obdachlose und Asylsuchende DAZU zwingen
Die Pläne der AfD in Düsseldorf erschrecken. Hier in der Bergischen Kaserne will die Partei Asylsuchende und suchtkranke Obdachlose zusammenpferchen. Das Gebäude steht seit fast sieben Jahren leer und soll nun ein „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“ werden, wie es im AfD-Kommunalwahlprogramm heißt, dass der „Rheinischen Post“ vorliegt.
Der AfD geht es um die „Heranziehung von arbeitsfähigen Asylsuchenden“. In einem ersten Entwurf des Programms hieß es noch: „In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose Personen werden verpflichtend in die ZGC verbracht.“ Laut des Kreisvorsitzenden Elmar Salinger soll dieser allerdings bereits abgeschwächt worden sein. „In Düsseldorf aufgegriffene obdachlose und/oder schwer suchtkranke Personen werden nach Möglichkeit in dem ZGC untergebracht und betreut.“
AfD in NRW mit Kritik bombardiert
Laut „RP“ wären 3.000 Menschen von den Plänen betroffen, davon 2.778 Obdachlose. „Das geht völlig an der Realität vorbei“, echauffiert sich Michael Harbaum, Geschäftsführender Vorstand der Düsseldorfer Drogenhilfe. „Das erinnert an Arbeitslager. Wie geschichtsvergessen oder dreist kann man sein, so etwas zu schreiben?“
Auch Rechtsextremismus-Forscherin Sabine Reimann sieht in dem Plan eine „extrem rechte Ideologie“ verwirklicht. „Es ist typischer billiger Rechtspopulismus, eine vermeintlich einfache Lösung zu propagieren und sich gegen die zu wenden, die sich kaum wehren können.“
Klaudia Zepuntke (SPD), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Soziales, ist „tief entsetzt“. „Es erinnert mich an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte. Solche Überlegungen sind menschenverachtend und mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar.“
https://www.derwesten.de/
AfD-Pläne für Bergische Kaserne in Düsseldorf
„Solche Vertreibungs- und Arbeitsdienst-Fantasien sind zutiefst antidemokratisch“
Düsseldorf · Die AfD in Düsseldorf will in der Bergischen Kaserne Asylsuchende und suchtkranke Obdachlose unterbringen – teilweise sogar verpflichtend. Experten kritisieren das Vorhaben als potenziell verfassungswidrig und menschenverachtend.
10.04.2025 , 08:14 Uhr Eine Minute Lesezeit
Die Bergische Kaserne im Osten Düsseldorfs. Nach dem Willen von Stadt und Bundesagentur für Immobilienaufgaben soll auf dem Gelände ein Wohnquartier entstehen.
Foto: Endermann, Andreas (end)
Von Andrea Röhrig und Philip Zeitner
Während Stadt und Politik die Umsetzung eines Wohnbauprojektes für das Areal der Bergischen Kaserne vorantreiben, hat die AfD ganz andere Pläne mit dem seit 2018 leer stehenden Gelände. Ginge es nach dem Kreisverband der in weiten Teilen rechtsextremen Partei, sollen am dortigen Stadtrand drogensüchtige Obdachlose und Asylbewerber untergebracht werden. Die AfD nennt das „gemeinnütziges Zentrum für Gesundheit und Chance“, kurz ZGC....
AfD-Plan für Obdachlose und Migranten entsetzt:
„Das erinnert an ein Arbeitslager“
10.04.2025
Die Düsseldorfer AfD hat vorgeschlagen Asylsuchende und suchtkranke Obdachlose verpflichtend in einer alten Kaserne unterzubringen. Der Vorschlag stößt auf Empörung: "Das erinnert an Arbeitslager", sagt Michael Harbaum, Geschäftsführer der Düsseldorfer Drogenhilfe. Im Kommunalprogramm der AfD heißt es weiter, man wolle die Unterbringung von arbeitsfähigen Asylbewerbern in der…
https://www.ffh.de/
Ärger um Wahlwerbung in Mühlenberg
„Arbeitslager für Sozialschnorrer“: AfD kündigt Anzeige wegen offenbar gefälschter Wahlplakate an
Die AfD Niedersachsen spricht von einer Fälschung: Fragwürdige Wahlplakate sind diese Woche in Mühlenberg aufgetaucht.
Diese Sprüche sind selbst den Rechtspopulisten zu extrem: In Mühlenberg ist offenbar gefälschte AfD-Wahlwerbung aufgetaucht. Die Partei will den Vorfall anzeigen.
Timon Naumann
21.02.2025, 09:44 Uhr
Hannover. Irritation kurz vor der Bundestagswahl: Im hannoverschen Stadtteil Mühlenberg sind mehrere Wahlplakate aufgetaucht, die scheinbar von der Alternative für Deutschland (AfD) Niedersachsen stammen. Diese weist jetzt jedoch jede Verbindung mit den Plakaten von sich und will Anzeige erstatten. Der Verdacht der Partei: Hier solle der AfD durch gefälschte Plakate geschadet werden.
Das ist passiert: Auf den Plakaten, die in der typischen AfD-Aufmachung gehalten sind, lassen sich Sprüche finden, die selbst für die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei zu radikal wirken. Dort zu lesen ist unter anderem: „Arbeitslager für Sozialschnorrer“, „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ und „Arbeitszwang für Bürgergeldempfänger.“
AfD bestreitet Beteiligung an der Aktion
Wer die Plakate angebracht hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Zumindest die AfD Niedersachsen selbst will es nicht gewesen sein. Ein Verweis auf eine Kunst- oder Satireaktion lässt sich auf den Plakaten ebenfalls nicht finden. Dafür stehen am Fuß der Plakate sowohl Telefonnummer als auch E‑Mail-Adresse der AfD Niedersachsen. „Die AfD weist jede Verbindung zu Plakaten mit solchen menschenverachtenden Sprüchen zurück“, sagt Frank Horns, Pressesprecher der AfD Niedersachsen.
Nur wenige Tage alt: Die angeblich gefälschten AfD-Plakate wurden teilweise bereits zerstört.
Quelle: Christian Elsner
Menschenverachtende Sprüche und Aktionen, wie sie die AfD Niedersachsen hier von sich weist, sind allerdings in der AfD andernorts und auf Bundesebene wiederholt vorgekommen: Bereits im Januar sorgte eine Wahlkampfaktion der AfD Karlsruhe für Schlagzeilen. Dort verteilte die Partei Flyer in Form von „Abschiebetickets“. Kritik wurde laut, als sich der Verdacht ergab, die AfD habe diese „Tickets“ bewusst in Briefkästen von Menschen mit Migrationsgeschichte verteilt. Der Staatsschutz ermittelte.
Mehr zum Thema
Rathaus mit Hannover-Logo: Die Stadt distanziert sich von dem rassistischen Fake-Plakat der rechtsextremen Gruppe. (Archiv)
Ermittler suchen Zeugen
Rassistisches Plakat aufgestellt: Stadt Hannover warnt angeblich vor Migranten
Erneut am 23. Februar 2025: Wahlhelfer und Wahlhelferinnen zählen in einem Wahllokal Stimmzettel für die Bundestagswahl aus.
Politik
Bundestagswahl 2025 in Hannover: Alle Fragen und Antworten für den 23. Februar
Im Gespräch (von links): Die Direktkandidaten Dirk Brandes (AfD), Dirk Tegtmeyer (Linke), Swantje Michaelsen (Grüne), Matthias Miersch (SPD), Robert Reinhardt-Klein (FDP) und Tilman Kuban (CDU) diskutieren mit Moderator Felix Harbart.
Bundestagswahl 2025
Faktencheck HAZ-Forum: Welche Aussagen der Politikerinnen und Politiker sind richtig?
Eine mögliche Erklärung der Partei in dem Fall aus Hannover: „Offensichtlich sind hier Kräfte am Werk, die mit Verleumdung und Lüge arbeiten, um unserer Partei zu schaden“, sagt Horns: „Unsere Partei steht zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, die seit Jahrzehnten Wohlstand und sozialen Frieden in unserem Land sichern.“ Die AfD Niedersachsen werde als Reaktion auf die Plakate Anzeige gegen unbekannt erstatten. Einige der Plakate, die im Canarisweg hängen, wurden bereits zerstört.
HAZ
https://www.haz.de/
Hannover:
AfD wehrt sich gegen gefälschte Wahlplakate
20. Februar 2025, 16:33 Uhr
Quelle: dpa Niedersachsen
Hinweis
ZEIT ONLINE hat diese Meldung redaktionell nicht bearbeitet. Sie wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen.
Hannover: Die AfD Niedersachsen distanziert sich von gefälschten Wahlplakaten in Hannover.
Die AfD Niedersachsen distanziert sich von gefälschten Wahlplakaten in Hannover. © Julian Stratenschulte/dpa
Die AfD will rechtlich gegen vermeintliche Wahlplakate vorgehen, die in ihrem Namen in Hannover aufgehängt wurden. Auf den Plakaten im Stadtteil Mühlenberg, der als sozialer Brennpunkt gilt, standen über dem Logo der AfD Sprüche wie «Arbeitslager für Sozialschmarotzer» oder «Arbeitszwang für Bürgergeldempfänger». «Die AfD weist jede Verbindung zu Plakaten mit solchen menschenverachtenden Sprüchen zurück», sagte ein Parteisprecher. «Wir werden Anzeige gegen Unbekannt stellen.»
Jens Spahn beklagt "Empörungsschleife" nach Aussagen über AfD
Rheinland-Pfalz
: AfD scheitert mit Klage gegen Malu Dreyer
Der AfD-Sprecher sagte weiter, offensichtlich seien «Kräfte am Werk, die mit Verleumdung und Lüge arbeiten, um unserer Partei zu schaden». Die AfD stehe zu den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.
© dpa-infocom, dpa:250220-930-381254/1
https://www.zeit.de/
Regionalnachrichten
Nordrhein-Westfalen
Tausende demonstrieren in Düsseldorf gegen AfD
15.02.2025, 15:48 Uhr
(Foto: Christoph Reichwein/dpa)
Gegen die AfD sind in Düsseldorf insgesamt mehr als 14.000 Menschen auf die Straße gegangen. Das Bündnis "Düsseldorf stellt sich quer" hatte gegen zwei AfD-Kundgebungen mobil gemacht.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Mehrere Tausend Menschen haben in Düsseldorf gegen die AfD protestiert. Zu der zentralen Demonstration mit einem Zug durch die Innenstadt kamen laut Polizei alleine rund 13.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Aufgerufen zu der Protestveranstaltung hatte das Bündnis "Düsseldorf stellt sich quer". Auf Plakaten war zu lesen: "Menschenrechte statt rechte Menschen" oder auch "Ganz Düsseldorf hasst die AfD".
Einige Tausend Menschen versammelten sich zunächst am Mittag in der Innenstadt vor dem Haus des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Weil mit rund 13.000 Teilnehmern in der Spitze mehr Menschen kamen als angezeigt, musste der Aufzugsweg in Kooperation mit dem Versammlungsleiter geändert werden", teilte die Polizei mit. Weitere etwa 1.200 Personen protestierten zudem an anderen Orten in der Landeshauptstadt gegen die AfD.
Polizei war mit größerem Aufgebot vor Ort
Die Polizei hatte sich umfassend auf das Versammlungsgeschehen vorbereitet und war mit starken Kräften präsent. Die AfD hatte laut Polizei 450 Teilnehmer zu zwei Veranstaltungen erwartet. Zur Kundgebung im Stadtteil Oberbilk mit dem Titel "Remigration schafft Wohnraum" kamen am Vormittag 30 Personen. Rund 200 Menschen nahmen nach Angaben der Polizei an einer Gegenveranstaltung teil.
Eine AfD-Wahlkampf-Kundgebung am Nachmittag sei von etwa 80 Teilnehmern besucht worden. Etwa 1.000 Demonstranten protestierten vor Ort dagegen. Einem dpa-Reporter zufolge attackierte ein Mann dabei eine Rednerin auf der AfD-Bühne. Er sei von Ordnern weggebracht worden. Die Polizei machte zu dem Vorfall keine konkreten Angaben.
Insgesamt seien sechs Strafanzeigen gefertigt worden. "Nach derzeitigem Stand endeten alle Versammlungen ohne nennenswerte Zwischenfälle", bilanzierten die Einsatzkräfte.
Demo-Teilnehmende fordern Demokratie statt Demagogie
Die zentrale Großdemo blieb friedlich. "Wenn die AfD die Antwort sein soll, wie dumm war denn dann die Frage?", hatte ein Teilnehmer auf ein Schild geschrieben. Auf einem anderen Plakat lautete die Forderung: "Demokratie statt Demagogie".
Die "Rheinische Post" berichtete, dass auch zwei Mottowagen von Jacques Tilly auf der Straße waren, mit dem der Künstler die Politik der AfD im Karneval in den vergangenen Jahren aufs Korn genommen hatte.
Quelle: dpa
https://www.n-tv.de/
Hans-Thomas Tillschneider
Wenn sich AfD-Abgeordnete an Zeitzeugengesprächen mit Holocaust-Überlebenden stören
Autorenprofilbild von Frederik Schindler
Von Frederik Schindler
Politikredakteur
Veröffentlicht am 24.01.2025 Lesedauer: 5 Minuten
Hans-Thomas Tillschneider, AfD-Fraktionsvize Sachsen-Anhalt
Quelle: Christoph Wagner/GettyImages; Sebastian Kahnert/pa/dpa/dpa-Zentralbild; Montage: Infografik WELT/Jörn Baumgarten
Der sachsen-anhaltische AfD-Fraktionsvize Tillschneider behauptet, dass sich mehrere Veranstaltungen der Landeszentrale für politische Bildung „im Dauermodus der latenten Selbstanklage“ mit dem Nationalsozialismus beschäftigten. Darunter sind Gespräche mit Überlebenden der Schoa und eine Kranzniederlegung in einer KZ-Gedenkstätte.
Edith Erbrich ist eine von wenigen Holocaust-Überlebenden, die noch immer in der Lage sind, Zeitzeugengespräche zu führen. Regelmäßig geht die 87-Jährige an Schulen, um ihre Erinnerungen an den Nationalsozialismus zu teilen. Als 1937 in Frankfurt am Main geborene Tochter eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter galt sie als „Halbjüdin“ und „Mischling ersten Grades“. Als die Bomben über Frankfurt fielen, durfte sie nicht in die Luftschutzkeller. Sie musste den „Judenstern“ als sichtbares Zeichen der Stigmatisierung tragen. Im Alter von sieben Jahren wurde sie nach Theresienstadt deportiert.
„Die ältere Dame, die vor ihnen sitzt und aus ihrem Leben erzählt, schafft ohne Aufforderung, was im Klassenraum nicht immer gewöhnlich ist: alle lauschen“, heißt es etwa in einem Bericht der gymnasialen Oberstufe an der Landrat-Gruber-Schule im hessischen Dieburg. „Wie gut, dass es noch Zeitzeuginnen wie Edith Erbrich gibt, die das Erinnern ermöglichen.“
An diesem Freitag lädt die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt zu einem Zeitzeugengespräch mit Erbrich in das Gesellschaftshaus Magdeburg. Es ist eine von mehreren Veranstaltungen der Einrichtung, die sich anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee mit dem Nationalsozialismus beschäftigen.
Lesen Sie auch
Publizist Jürgen Elsässer (l.) und AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider. Im Hintergrund: Variante des Preußen-Wappens aus der Zeit des Nationalsozialismus
Sachsen-Anhalt
„Wir, die Preußen in der AfD, wissen, dass das Verrat wäre! Und deshalb spucken wir aus!“
Die AfD Sachsen-Anhalt will die Landeszentrale für politische Bildung abschaffen – und hat dies nun in einer Landtagsdebatte insbesondere mit der Häufung und dem Inhalt von Veranstaltungen zu diesem Thema begründet. Vize-Fraktionschef Hans-Thomas Tillschneider sagte am vergangenen Mittwoch im Landtagsplenum, dass die kommenden neun Veranstaltungen der Landeszentrale ein Beleg dafür seien, dass bei der Einrichtung „keine erhaltenswerte Substanz“ für eine Reform vorhanden sei.
„Ganze fünf dieser neun Termine widmen sich über 80 Jahre nach Zusammenbruch des NS-Regimes, wie könnte es anders sein, der Zeit des Nationalsozialismus. Und zwar im Dauermodus des Schuldbewusstseins und der latenten Selbstanklage“, sagte Tillschneider. „So weit, so vorhersehbar.“
Bemerkenswert ist, um welche Veranstaltungen es sich handelt, an denen sich Tillschneider stört. Neben dem genannten Zeitzeugengespräch mit Edith Erbrich geht es um ein weiteres solches Gespräch mit dem Überlebenden Mieczysław Grochowski, der als Vierjähriger mit seiner Familie in das Internierungs- und Arbeitslager Lebrechtsdorf-Potulitz verschleppt worden und 14 Monate dort inhaftiert war. Zudem finden eine Lesung zur Bedeutung von Tieren in der nationalsozialistischen Ideologie, ein Festakt zur Veranstaltungsreihe „Denken ohne Geländer“ sowie eine Kranzniederlegung in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge statt. In dem Außenlager des KZ Buchenwald wurden zwischen April 1944 und April 1945 rund 7000 Häftlinge zur Arbeit gezwungen. Mehr als 1700 von ihnen starben infolge der lebensfeindlichen Bedingungen.
Auf Nachfrage von WELT, inwiefern die genannten Termine zur Behauptung der „latenten Selbstanklage“ passen, sagte der AfD-Abgeordnete Tillschneider: „Die Landeszentrale beschäftigt sich mit der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 nicht historisierend, also nicht im Modus historischer Distanz, sondern im Modus der Aktualisierung und des ständigen Gegenwärtig-Haltens. Vergangenheit aber vergeht irgendwann. Wir müssen lernen, Vergangenheit vergehen zu lassen.“
Der Eindruck, „mit Nazi-Zombies zu sprechen“
Auf die Frage, was gegen Zeitzeugengespräche und Kranzniederlegungen in KZ-Gedenkstätten spreche, sagte er: „An sich nichts, aber wenn dergleichen 80 Jahre nach Kriegsende über 50 Prozent der Aktivitäten ausmacht, ist es fragwürdig.“ Die Landeszentrale für politische Bildung spricht diesbezüglich von einer „verkürzten und falschen Darstellung“. Etwa 15 Prozent der Veranstaltungen beschäftigten sich mit dem Nationalsozialismus, hinzu kämen Gedenkstättenfahrten. Die aktuelle Häufung ist mit dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zu erklären, der am und um den 27. Januar abgehalten wird.
Lesen Sie auch
Sachsen-Anhalts Vize-AfD-Chef Hans-Thomas Tillschneider (l.); Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke
AfD
Zerwürfnis unter Völkischen – Höckes Netzwerk sagt sich von wichtigem Verbündeten los
Im Landtagsantrag der AfD heißt es, dass anstelle der Landeszentrale ein „Landesinstitut für staatspolitische Bildung und kulturelle Identität“ errichtet werden soll. Dieses solle sich unter anderem um „deutsche Brauchtumspflege und Traditionsveranstaltungen“ sowie um „Austauschprogramme mit dem Ziel der Völkerverständigung“ kümmern. Die AfD begründet ihre Forderung nach der Auflösung mit der Behauptung, dass die Landeszentrale „stark von linken Ideologien geprägt“ sei. Die Einrichtung widerspricht. Sie informiere „über extremistische Strömungen, selbstverständlich auch im rechtsextremistischen Bereich“, heißt es in einer Stellungnahme des Direktors Maik Reichel. „Dass diese Arbeit einer vom Verfassungsschutz als ‚gesichert rechtsextremistisch‘ eingestuften AfD in Sachsen-Anhalt ein Dorn im Auge ist, ist nicht verwunderlich“, heißt es darin weiter.
Tillschneider griff in seiner Landtagsrede auch die Arbeit der KZ-Gedenkstätten an. Wenn man mit dem „Gedenkstättenvolk“ spreche, habe man „den Eindruck, mit Nazi-Zombies zu sprechen, die irgendwo in der Vergangenheit leben; die noch im Jahr 2025 im Widerstand gegen Hitler sind, aber nie gelernt haben, ihre Interessen zu verteidigen“, sagte der Vize-Landesvorsitzende.
Scholz ruft zu Kampf gegen Antisemitismus auf – „Empörend und beschämend“
80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Kampf gegen den zunehmenden Antisemitismus aufgerufen. „Empörend und beschämend“, nannte er bei einer Gedenkveranstaltung die Ausgrenzung von Juden.
Quelle: WELT TV
Kai Langer, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, widerspricht deutlich. Gedenkstättenarbeit wirke, wenn „junge Menschen ihr in Gedenkstätten erworbenes Geschichtswissen auf aktuelle Gefährdungen der Demokratie anwenden“, sagte er WELT. Die Arbeit der Gedenkstätten habe weder mit „Schuldkult“ noch mit „Selbstanklage“ zu tun, so der Historiker weiter. „Vielmehr hat sie die Aufgabe, unschuldige Menschen, die Opfer eines verbrecherischen Regimes wurden, vor dem Vergessen zu bewahren.“ Tillschneiders Empfehlung, sich allein „historisierend“ mit der NS-Geschichte zu befassen, entspreche „der sattsam bekannten Forderung nach einem ‚Schlussstrich‘“.
Das von KZ-Überlebenden gegründete Internationale Auschwitz Komitee kritisiert den AfD-Politiker ebenfalls scharf. Der geschäftsführende Vizepräsident Christoph Heubner sagte: „Tillschneiders schamlose und schäbige Attacken gegen die Erinnerungskultur empfinden die Überlebenden des Holocaust als Angriff gegen ihre ermordeten Angehörigen und gegen sich selbst. Wenn in diesen Tagen Tausende Menschen in Deutschland der Befreiung von Auschwitz gedenken, haben sie nicht nur die Vergangenheit im Blick, sondern auch die Angriffe vor Augen, denen die Demokratie in Deutschland durch die Tillschneiders in der AfD ausgesetzt ist.“
Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.
https://www.welt.de/
Sachsen-Wahl: Üble Lager-Pläne der AfD – Menschen zweiter Klasse
von Marisa Lattemann
01.09.2024 - 12:53 Uhr
Unter dem Motto „Damit Sachsen Heimat bleibt“ fordert die AfD bei der Sachsen-Wahl 2024 drastische Maßnahmen.
Migranten sollen in isolierte Lager gesteckt und zur Arbeit gezwungen werden.
© IMAGO/Panthermedia
Die AfD stellt in ihrem Wahlprogramm zur Sachsen-Wahl ihren Plan zur Lösung der Migrationsdebatte vor. Dieser Plan klingt wie ein schön verpacktes Arbeitslager-Modell – nicht nur für Geflüchtete.
Das Wahlprogramm der AfD für die Sachsen-Wahl steht unter dem Credo: „Damit Sachsen Heimat bleibt“. Das will die Partei mit allen Mitteln durchsetzen – bis hin zum Aufbau von speziellen Lagern.
Migranten in Lager sperren – nur „Basisversorgung“
Oft wird der AfD vorgeworfen, zwar fleißig gegen Geflüchtete zu schießen, jedoch keine konkrete Lösung der Migrationsdebatte beisteuern zu können. Das scheint sich nun geändert zu haben. In Sachsen möchte die AfD laut ihrem Parteiprogramm für die Landtagswahl in Sachsen 2024 spezielle Auffanglager für „Antragsteller und Geduldete“ errichten.
Sie nennen das „Transfer- und Transit-Zentren“. In diesen Lagern sollen die Menschen nach Religion getrennt und fernab von der einheimischen Bevölkerung weggesperrt beziehungsweise „gut gesichert“ werden. Dabei solle den Geflüchteten eine minimale humanitäre Versorgung zugutekommen. Diese „Basisversorgung“ soll allerdings nur gewährleistet werden, wenn die Kosten von den Menschen selbst gedeckt werden können.
Das könnte in Form von „speziellen Angeboten von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in den Transfer-Zentren und im Umfeld dieser Einrichtungen“ erreicht werden. Gut gesichert und zur unentgeltlichen Arbeit gezwungen – dieses Modell ist keineswegs neu in der deutschen Geschichte. Auf „staatlich finanzierte Integrationsmaßnahmen“ soll dabei „weitgehend verzichtet“ werden. Die Menschen sollen die „Zentren“ erst dann verlassen, wenn sie auch Deutschland verlassen.
Sachsen-Wahl 2024: AfD mit Schock-Plan
Zu dem weiteren Vorgehen mit den Geflüchteten heißt es im Programm, die AfD werde die Eigeninitiative der „Geduldeten“ stärken sowie spezielle Angebote von Bildungsmöglichkeiten in den Transfer-Zentren aufbauen, die der Vorbereitung der Geduldeten auf die Remigration dienten. Dabei solle etwa die eigene Sprache unterrichtet werden. Wer denn überhaupt Unterricht in der „eigenen Sprache“ braucht, bleibt unbeschrieben.
Diese Artikel sind für Dich relevant:
„Demokratie ist veraltet“ – Gen Z wendet sich ab vom System
Minderheitsregierung Sachsen
AfD-Alarm in Sachsen: Schnelle Neuwahl des Landtags droht
Rückgang der Asyl-Anträge: Was steckt hinter den sinkenden Zahlen?
Asyl: Deutschland ist fein raus – „Man kann es kaum glauben“
Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Plan der sächsischen AfD mit den Lagern für „Ausländer“ keineswegs auf diejenigen beschränkt, die als Geflüchtete nach Deutschland kommen, sondern auch auf deren Kinder. Wieso sonst müsste man Unterricht in der eigenen Sprache geben, wenn nicht, um Deutsche mit Migrationshintergrund fit für die Remigration zu machen? Ein weiterer Schritt, um nach der Sachsen-Wahl, die Gruppe der Menschen zweiter Klasse zu erschaffen.
Quelle: Wahlprogramm der AfD Sachsen für die Landtagswahl in Sachsen 2024
https://www.derwesten.de/
Medienbericht zu AfD-Nachwuchs
Teilnehmer an Wanderung der Jungen Alternative sollen über Ghettos für Juden und Arbeitslager fabuliert haben
Undercover waren RTL-Reporterinnen bei einer von der AfD-Nachwuchsorganisation in Sachsen organisierten Wanderung dabei. Dem Bericht zufolge äußerten sich Teilnehmer offen rechtsextrem und antisemitisch.
07.02.2024, 14.26 Uhr
Demonstration der Jungen Alternative Sachsen (2018)
- Bild vergrößern
Demonstration der Jungen Alternative Sachsen (2018) Foto: Sebastian Kahnert / picture alliance / dpa
Für den Verfassungsschutz ist die gesamte AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) gesichert rechtsextremistisch. Es gibt zahlreiche Berichte, wie JA-Funktionäre reden und welche Überzeugungen sie vertreten (mehr dazu lesen Sie hier ).
Eine Recherche von RTL zeigt nun an einem Beispiel, was beim AfD-Nachwuchs offenbar unwidersprochen gesagt werden kann. Reporterinnen waren demnach undercover bei einer von der JA Sachsen organisierten Wanderung im vergangenen November dabei.
Dabei sprachen Teilnehmer dem Bericht zufolge über die Ghettoisierung von Juden, Arbeitslager für Menschen ausländischer Herkunft und ähnliche Themen, die in rechtsextremen Kreisen gängig sind. »Die Lösung mit den Juden wäre, denen eine Gegend zuzuweisen, wo die alle hinkommen«, wird etwa ein Teilnehmer laut RTL-Gedächtnisprotokoll in dem Video zitiert.
»Freiwillige suchen, die auch zur Not bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen«
Dann geht es um alle Menschen fremder Herkunft: Diese sollten in Ghettos kommen. Es solle ein Wohn- und ein Arbeitsghetto geben. Der Ein- und Ausgang werde kontrolliert, die Leute würden ausreichend, aber nicht übermäßig zu essen bekommen. »Das Ziel ist, dass sie es dann so überhaben, dass sie irgendwann von selbst zurückgehen in das Land ihrer Vorfahren.«
Auf die Frage, wie man mit einer aggressiven Reaktion der Eingesperrten umgehen solle, sagte ein Teilnehmer demnach, es müsse eine gewisse Gewaltbereitschaft geben. »Als Staat würde ich Freiwillige suchen, die auch zur Not bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen.«
Zudem, so der Bericht, sei darüber gesprochen worden, wie der »gesunde Volksbestand« erhalten werden könne. Ein Ehepaar müsse mindestens vier Kinder bekommen, von denen mindestens drei über das fünfte Lebensjahr hinauskommen müssten.
Mehrere Teilnehmer der Wanderung sollen zudem Sympathien für einen gewaltsamen Umsturz gezeigt haben. Demnach brauche es Tribunale gewählter Laienrichter, um »Verbrecher, die sich am Eigentum des Volkes vergangen haben«, zu verurteilen und dann hinzurichten – etwa Olaf Scholz.
- Entscheidung des Verwaltungsgerichts: AfD scheitert mit Eilantrag gegen Verfassungsschutzbericht 2022 AfD scheitert mit Eilantrag gegen Verfassungsschutzbericht 2022
- Verwaltungsgericht Köln: Verfassungsschutz darf AfD-Nachwuchs als gesichert rechtsextrem einstufen
Gerichtsbeschluss zu AfD-Nachwuchs: Warum der Verfassungsschutz die Junge Alternative als gesichert rechtsextrem einstufen darf Von Benjamin Schulz und Wolf Wiedmann-Schmidt
Warum der Verfassungsschutz die Junge Alternative als gesichert rechtsextrem einstufen darf
- Verfassungsschutz darf AfD-Nachwuchs als gesichert rechtsextrem einstufen
Laut RTL unternahmen JA-Vertreter bei der Veranstaltung nichts, um solchen Äußerungen entgegenzutreten. Auf Nachfrage von RTL teilten AfD und JA mit, man distanziere sich von verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Aussagen. Die JA suggeriert aber, V-Leute des Verfassungsschutzes hätten absichtlich verfassungsfeindliche Aussagen getätigt – ohne dafür Belege vorzuweisen.
Der RTL-Bericht kommt einen Tag nachdem ein Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts bekannt wurde. In einem Eilverfahren wies es eine Klage der AfD und JA gegen die Einstufung des Parteinachwuchses als gesichert rechtsextremistische Bestrebung durch den Verfassungsschutz ab. Rechtskräftig ist die Entscheidung noch nicht.
akm/ulz
https://www.spiegel.de/
"In ein Ghetto stecken"
Lager-Fantasien bei der Jungen Alternative in Sachsen
06.02.2024, 20:44 Uhr
Auf einer Veranstaltung der AfD-Nachwuchsorganisation in Sachsen werden offenbar Ideen von Arbeitslagern oder Deportationen stillschweigend akzeptiert. Die Junge Alternative und die Mutterpartei distanzieren sich - und vermuten "agents provocateurs" dahinter.
Bei einer Veranstaltung der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in Sachsen fabulieren Teilnehmer über Deportationen und ihren Weg zu einer vermeintlichen ethnisch homogenen Gesellschaft. "Jede Familie müsste vier Kinder bekommen, von denen mindestens drei über das fünfte Lebensjahr kommen müssten, um dann ihrerseits irgendwann Nachkommen zu zeugen." Das berichtet das RTL-Magazin "Extra", welches die Veranstaltung verfolgte.
Chrupalla.JPG
Politik
06.02.24
Chrupalla im Frühstart
AfD-Chef hält Bevölkerung für "aufgewiegelt"
Im Beisein von Mitgliedern der JA Sachsen fabulieren die Teilnehmer nicht nur über Ideen zu Deportationen von Juden und Migranten, sondern auch über Lager. "Es gibt dann Arbeitslager und Wohnlager. Da sollen die was zu essen bekommen und dafür, dass sie eine warme Unterkunft haben, müssen sie was leisten. Das solle so lange gehen, bis die das so überhaben, dass sie von allein in ihre Heimatländer gehen."
Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick von der Universität Halle-Wittenberg ordnet diese Aussagen mit Blick auf die Meinungsfreiheit ein: "Es ist zulässig, dass man sagt, 'ich will weniger Migration haben' oder meinetwegen auch 'mir sind hier zu viele Ausländer'. Das kann man gut oder schlecht finden, aber das ist eine erlaubte Position in einer Demokratie", so Varwick. "Nicht zulässig ist aber, wenn man darüber fabuliert, dass man massenhaft Leute remigrieren möchte. Das ist ein Ticket in den Bürgerkrieg, wenn wir Millionen Menschen gewissermaßen die Legitimation abstreiten, hier zu leben. Auch, wenn sie einen deutschen Pass haben."
AfD distanziert sich
Auf der Veranstaltung fallen weitere entsprechende Äußerungen. "Ich würde die halt erstmal internieren, in ein Ghetto stecken. Die haben die Pflicht, arbeiten zu gehen. Man könnte so Werkstätten zum Beispiel einrichten. Dafür, dass sie Essen bekommen und ein warmes Dach über dem Kopf, müssen sie selbstverständlich eine Leistung erbringen." Zur Durchsetzung dieser Vorschläge sei laut Aussagen der Teilnehmer Folgendes notwendig: "Es braucht eine gewisse Gewaltbereitschaft im deutschen Volk. (…) Als Staat würde ich Freiwillige suchen, die zur Not auch bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen." Laut "RTL Extra" wurde diesen Äußerungen auf der Veranstaltung nicht widersprochen.
Auf eine Bitte um Stellungnahme zu den beobachteten Vorkommnissen hin distanzieren sich sowohl die AfD als auch die JA von verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Aussagen unter anderem im Zusammenhang mit Begriffen wie "Ghettoisierung und Todesstrafe" und teilen mit, dass solche Äußerungen sowohl ihrer Programmatik als auch den sie leitenden ethischen Überzeugungen widerspreche.
Mehr zum Thema
Verfassungsschutz bekommt recht
AfD-Jugend scheitert mit Klage - gesichert rechtsextrem
"ntv Faktenzeichen"
AfD, Döner, Pizzakartons - wie man Fake News erkennt
Wegen Remigrationsphantasien
Potsdam leitet Einreiseverbotsverfahren gegen Sellner ein
Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass mögliche verfassungswidrige Aussagen von "agents provocateurs" des Verfassungsschutzes getätigt wurden. Erst jüngst hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD-Nachwuchsorganisation als gesichert extremistische Bestrebung einstufen und behandeln darf.
Die komplette Recherche zeigt RTL heute um 22.35 Uhr in EXTRA.
Quelle: ntv.de, lme
https://www.n-tv.de/
KZ-Gedenkstätten und die AfD
Der Kampf gegen die Verharmloser
Eingang zur Gedenkstätte KZ Buchenwald.
Das ehemalige KZ Buchenwald: Auch hier kamen schon Besucher, die bewusst die Führung störten. © Imago / Rainer Unkel
Von Ronny Arnold | 06.08.2019
Gedenkstätten für die Verbrechen der NS-Diktatur bekommen mitunter Besucher, die bewusst die Geschehnisse verharmlosen oder sogar leugnen. In einigen Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Eine Reportage aus Sachsenhausen, Buchenwald und Berlin.
„Herzlich Willkommen in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Ich bin Darius, ich führe euch heute hier ein bisschen rum. Ihr habt das gerade als Schulthema gehabt, den Nationalsozialismus.“
Darius Finck steht am Rande eines großen, in Bronze gegossenen Modells von Sachsenhausen. In kurzen, knappen Sätzen erklärt der 25-Jährige den um ihn versammelten 30 Jugendlichen die Entstehung des Konzentrationslagers.
„Ihr seht das hier das Stammlager mit den Baracken. Und ihr seht diese Dreiecksformation, sieht sehr speziell aus. Die SS wollte ihren Machtanspruch durch diese Architektur auch versinnbildlichen und Sachsenhausen sollte quasi der Prototyp eines komplett modernen Konzentrationslagers werden.“
Die Schulklasse dieser Führung kommt aus Rendsburg in Schleswig-Holstein. Die Gruppe hört aufmerksam zu, Nachfragen gibt es erst einmal keine. Auch keine Provokationen.
Darius Finck weiß aber von Kollegen, dass es solche schon gegeben hat, das sie allerdings bislang eine Ausnahme waren. Das betont auch Horst Seferens, der Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, zu der Sachsenhausen gehört. Er erinnert sich allerdings an eine, die für ihn exemplarisch war.
Einzelne Besucher einer Gruppe störten die Führung
„Es gab im vergangenen Sommer im Juli einen Vorfall. Es waren Gäste, die aus dem Wahlkreis der AfD-Bundestagsabgeordneten Alice Weidel zu einem Bildungsbesuch nach Berlin reisten. Und aus dieser Gruppe heraus haben einige wenige Teilnehmer von Anfang an diese Führung gestört. Den Referenten permanent unterbrochen, hinterfragt, was er erzählt, um die NS-Verbrechen zu verharmlosen, angebliche Verbrechen der Alliierten angeführt. Bis dahin, dass sie die Massenmorde in Sachsenhausen und die Gaskammer infrage gestellt haben.“
Die Führung wurde daraufhin abgebrochen, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Für Horst Seferens eine klare Provokation aus den Reihen der AfD – von versierten Revisionisten, die sich üblicher Strategien und Argumentationsmuster von Rechtspopulisten bedienen.
„Man konnte davon ausgehen, dass ein fest verankertes, revisionistisches Weltbild dahintersteckt. Passt natürlich ins Bild, das man immer wieder beobachten kann bei Rechtspopulisten: zu provozieren, Tabus zu brechen, Diskussionen anzuzetteln mit dem Ziel, dass sich in kleinen Schritten die Dinge verschieben – die Bewertung der NS-Vergangenheit, dass sich die Erinnerungskultur verändert.“
Nur ein „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte?
Etwa hin zu einem „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte? So hatte, vor gut einem Jahr, der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die Zeit des Nationalsozialismus bezeichnet. Die Fakten zu Sachsenhausen sprechen eine andere Sprache: Etwa 200.000 Häftlinge waren bis 1945 hier interniert, größtenteils politische Gefangene: Juden, Homosexuelle, sogenannte Asoziale. Zehntausende starben allein in diesem Lager – durch Hunger, Zwangsarbeit, Krankheiten, Misshandlungen, Massenerschießungen.
Die Gruppe um Darius Finck läuft nun über das Gelände des Hauptlagers von Sachsenhausen. Gerade haben die Schüler eine der alten Holzbaracken betreten – Türen und Dielen knarren, im vorderen Teil stehen schwere Holztische und -bänke, im hinteren Bereich Mehretagenbetten.
„So eine Baracke konnte man innerhalb von zwei, drei Tagen relativ schnell aufbauen. Ihr seht da drüben schon den Schlafbereich mit den Betten. Hier der Tagesraum. Wir sind jetzt 30 Leute und der Raum ist schon fast voll. Stellt euch jetzt mal vor, ihr müsst hier mit 300 Leuten in diesem Schlafraum sein.“
Neonazis steckten die Baracke in Brand
Betretenes Schweigen. Die Blicke der Schüler wandern durch den Raum. Die schiere Menge an Häftlingen, die hier tagtäglich, auf engstem Raum, leben, essen und schlafen musste, ist kaum vorstellbar. Direkt neben der alten Baracke findet sich auf zwei Etagen eine der zahlreichen Ausstellungen der Gedenkstätte. Die Holzbalken und -wände im Eingangsbereich sind schwarz-verkohlt. Es sind Brandspuren aus dem Jahr 1992. Jugendliche Neonazis aus Oranienburg steckten damals die Baracke in Brand. Bewusst hat man die Spuren des Feuers gelassen, um an den Übergriff zu erinnern. Der hintere Flügel brannte völlig aus.
An dieser Stelle steht jetzt das Museum. In kleinen Grüppchen laufen die Schüler durch den Raum, vorbei an eindrücklichen, großformatigen Fotos aus dem KZ-Alltag. Das Leid der Insassen, etwa beim Arbeitsdienst, lässt sich nur erahnen. Die meisten Fotos stammen aus dem Fundus der Nazis. In einer Vitrine im Gang hängt gestreifte Häftlingskleidung. Der 20-jährige Lucka ist sichtlich bewegt – von den Eindrücken vor Ort. Aber auch, wie manche heutzutage damit umgehen.
„Ich finde es schwer zu begreifen, sich hinzustellen und die Brutalität der Konzentrationslager zu leugnen. Ich weiß nicht, ob diese Leute diese Lüge selbst als Wahrheit verinnerlicht haben oder ob sie absichtlich oder bewusst einen Gegenpol spielen wollen. Das habe ich in meiner Klasse zum Glück noch nicht erlebt. Deshalb ist es sehr, sehr wichtig, dass es eben die Gedenkstätten gibt, um das hautnah zu erleben. Allein hier durchzugehen und sich vorzustellen, was eben passiert ist, macht sehr, sehr viel aus und entwickelt diese starke Bewusstheit, dass so etwas auf gar keinen Fall wieder passieren darf.“
Das Bild zeigt ein Thor im ehemaligen KZ Buchenwald, das den Spruch "Arbeit macht frei" trägt.
Brutale und menschenverachtende Ironie: Mit dem Satz „Arbeit macht frei“ versahen die Nazis viele ihrer Arbeits- und Vernichtungslager, so auch Sachsenhausen.
© Deutschlandradio / Ronny Arnold
Bei der Europawahl im Mai wurde die AfD in einigen Regionen Ostdeutschlands stärkste Kraft. In Brandenburg landete sie mit 19,9 Prozent knapp vor CDU und SPD. Trotz der vielen Wählerstimmen für die Rechtspopulisten in der Region kann Horst Seferens, der Stiftungssprecher, bei den Besuchergruppen keinen Unterschied zwischen Ost und West feststellen. Die provokanten AfDler, die im Sommer 2018 aus der Gedenkstätte geworfen werden mussten, kamen vom Bodensee. Und: Angriffe von rechts sind für ihn auch kein neues Phänomen.
„Denken Sie an den rechtsextremistischen Brandanschlag auf die jüdischen Baracken 1992 und einer Phase in den Neunzigerjahren, wo wir ständig rechtsextremistische Störungen in der Gedenkstätte hatten. Angriffe auf Besucher, auch auf dem Weg zur Gedenkstätte, Propagandaschmierereien in Besucherbüchern und so weiter. Insofern sind wir da immer schon sensibilisiert gewesen und das gilt heute umso mehr.“
Gezielte Schulungen, klare Hausordnung
Zu dieser Sensibilisierung gehören für Seferens: gezielte Schulungen des Personals und eine klare Hausordnung, die den Umgang mit Zeichen und Codes der rechten Szene konsequent regelt. Und auch klar erkennbare, rechte Szenekleidung verbietet. Das Problem: AfD-Anhänger sind eine heterogene Gruppe, vom Europaskeptiker bis zum Rechtsradikalen ist alles dabei. Das Ziel der Rechten ist für den Stiftungssprecher klar: Sie wollen die NS-Geschichte am liebsten ausblenden, einen Schlussstrich ziehen.
„Insofern wird es sicherlich ein wichtiges politisches Ziel aller Rechtsextremisten und Rechtspopulisten sein, auch gerade die Tatorte, die die Gedenkstätten nun in besonderer Weise manifestieren, dass diese Verbrechen geschehen sind und welche Dimensionen sie hatten, diese Orte kleinzureden, in die Ecke zu schieben und zu marginalisieren. Wir betrachten das mit Sorge, spüren aber gleichzeitig auch, dass die Mehrheitsgesellschaft diese Orte stärker als Chance begreift und ihre Wichtigkeit und Bedeutung stärker für die Beibehaltung und Weiterentwicklung unserer demokratischen Kultur begreift.“
Das Bild zeigt den Eingang der Gedenkstätte Sachsenhausen.
Die Gedenkstätte in Sachsenhausen
© Ronny Arnold / Deutschlandradio
Ein Zeichen dafür: Etwa 700.000 Menschen haben 2018 die Gedenkstätte Sachsenhausen besucht. Damit hat sich die Besucherzahl in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Ortswechsel. Mitten in Berlin, keine zwei Kilometer vom Brandenburger Tor entfernt, befindet sich die Gedenkstätte „Deutscher Widerstand“. Hier, in der Stauffenbergstraße, können Besucher in verschiedenen Ausstellungen, bei Veranstaltungen sowie Rundgängen erfahren, wie sich einzelne Menschen und Gruppen in den Jahren 1933 bis 1945 gegen die nationalsozialistische Diktatur gewehrt haben.
3200 Führungen und Seminare in einem Jahr
Johannes Tuchel, der Gedenkstättenleiter, empfängt in einem großen Konferenzraum – und berichtet von rund 3200 Führungen und Seminaren, die er für sein Haus im vergangenen Jahr gezählt hat. Insgesamt seien über 100.000 Besucher gekommen, darunter auch AfD-Anhänger und Parteimitglieder. Denn seitdem die Rechtspopulisten im Bundestag sitzen, also bereits seit knapp zwei Jahren, können ihre Abgeordneten über das Bundespresseamt Anhänger aus ihrem Wahlkreis in die Hauptstadt einladen. Und die nutzen die Zeit, so Johannes Tuchel, auch für einen Besuch in der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“. Bislang habe in seiner Gedenkstätte aber keine Führung abgebrochen werden müssen.
„Wir diskutieren, solange wir diskutieren können. In dem Moment, wo Straftatbestände erfüllt sind, also wo es zu offen rechtsextremistischen Äußerungen oder Volksverhetzung kommen würde, müssten wir eine derartige Veranstaltung abbrechen. Dies ist bisher aber noch nicht der Fall gewesen. Und diskutieren scheint mir auch das beste Konzept zu sein, dass man noch miteinander spricht, dass man diese Gruppen ganz bewusst nicht ausgrenzt, ebenso wenig wie andere Gruppen. Sondern dass man versucht, die Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur, die eben kein Vogelschiss der deutschen Geschichte gewesen ist, dann nahezubringen.
Widerstandsgeschichte wurde schon immer politisiert
Die Geschichte des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus sei immer politisch betrachtet worden, erklärt Tuchel. Immer wieder sei auch versucht worden, Personen wie Claus Schenk Graf von Stauffenberg zu instrumentalisieren. Mal wurde Stauffenberg aus den Reihen der AfD heraus als Verräter verunglimpft, dann wieder versuchten rechte Meinungsmacher, den Widerstand gegen Hitler zur eigenen Tradition zu machen. Da merkt man dem sonst bedächtigen Johannes Tuchel an, dass er genervt ist. Davon, dass Rechte von heute den NS-Widerstand von damals für ihre Zwecke benutzen.
„Da müssen wir deutlich machen, dass Widerstand gegen eine totalitäre Diktatur etwas grundsätzlich anderes ist als Opposition in einem demokratischen Rechtsstaat. Der Widerstandsbegriff, so wie ihn die AfD benutzt, ist natürlich nicht anwendbar auf das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland. Dieses hier ist wirklich das Aneignen von Personen, mit denen man gern Legitimität erzielen möchte, die sich aber als geistige Väter und Mütter der AfD nun wirklich nicht eignen.“
Auch in Buchenwald hatte man schon mit der AfD zu tun
Aus der Geschichte der Diktatur lernen, welch vielfältige Möglichkeiten unsere heutige Demokratie bietet. Und was sie aushalten muss und kann, auch wenn sie vom politischen Rand her bekämpft wird. Das ist auch Thema bei der täglichen Arbeit der Pädagogen in der Gedenkstätte Buchenwald im Herzen Thüringens. Nach Dachau 1933 und Sachsenhausen 1936 war Buchenwald, vor den Toren Weimars gelegen, das dritte große Konzentrationslager der Nazis.
22 Gymnasialschüler aus Nidda im benachbarten Hessen sitzen im Stuhlkreis und lauschen gespannt. Julia Treumann erklärt gerade die Details zum Lager.
„Buchenwald war Schutzhaftlager und Arbeitslager. Das bedeutet, dass alle Häftlinge arbeiten mussten. Wenn wir etwas lesen oder hören über diese sogenannten Berufsverbrecher oder Asozialen: Bitte schaut euch die Menschen an, von denen da die Rede ist. Das hat ganz oft mit diesen Menschen nichts zu tun gehabt, das waren in vielen Fällen willkürliche Entscheidungen.“
Höcke versucht, die Erinnerungsarbeit zu stören
Während Pädagogin Treumann den Schülern das perfide Vernichtungssystem der Nationalsozialisten bis 1945 erklärt, treffe ich drei Häuser weiter, im Direktionsgebäude des ehemaligen Lagers, Rikola-Gunnar Lüttgenau. Der stellvertretende Gedenkstättenleiter bekommt es seit Jahren immer mal wieder mit der AfD zu tun. Denn bereits seit 2014 sitzt die Partei mit Björn Höcke an der Spitze im Thüringer Landtag – und versucht seitdem, auch die Erinnerungsarbeit seiner Gedenkstätte zu torpedieren.
„Die haben 2015 versucht, zum Beispiel den Holocaust-Gedenktag umzuwidmen. Weil sie einen Kranz niederlegen wollten am Holocaust-Gedenktag, am 27. Januar, auch in Erinnerung an die Toten des sowjetischen Speziallagers. Das ist Humbug, das haben wir nicht zugelassen. Die haben dann einen unbedenklichen ‚In stiller Trauer‘-Kranz niedergelegt. Daraufhin war für uns klar: An einer Gedenkveranstaltung zu Ehren der Toten der Konzentrationslager, in Anwesenheit von Auschwitz- und Buchenwaldüberlebenden, hat dieser Mensch, mit diesen Aussagen, nichts zu tun.“
Auch Buchenwald verzeichnet einen leichten Anstieg der Besucherzahlen: Ca. 500.000 waren es im vergangenen Jahr, noch einmal etwa 65.000 besuchten die Gedenkstätte Mittelbau-Dora, die ebenfalls zur Stiftung gehört. Die klare Regelung rund um die Gedenktage will Lüttgenau nicht als generelles Besuchsverbot für die Führungsriege der AfD und ihre Anhänger verstanden wissen – im Gegenteil.
Die Konsequenzen völkischen Handelns
„Wir haben ein Bildungsanspruch, Herr Höcke und auch andere können selbstverständlich unsere Gedenkstätten und unsere Ausstellungen besuchen, um sich mit den Konsequenzen völkischen Handelns auseinanderzusetzen. Das ist natürlich möglich. Das ist kein allgemeines Hausverbot, sondern das bezieht sich auf ehrende Gedenkveranstaltungen. Wir würden sehr genau beobachten, wenn eine derartige Anfrage kommt, inwiefern wir nicht hier medial vernutzt werden sollen. Wenn das der Fall ist, würde man eine entsprechende Anfrage auch, unter den gegebenen Umständen, negativ bescheiden müssen.“
Draußen hat es zu regnen begonnen. Julia Treumann und die Schüler aus Hessen sind auf ihrem Rundgang durch das ehemalige Lager. Über 56.000 Menschen starben zur Zeit des Nationalsozialismus im KZ Buchenwald – an Folter, medizinischen Experimenten und Erschöpfung. In einer eigens errichteten Tötungsanlage wurden über 8000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen.
Als die Amerikaner im April 1945 Buchenwald und seine Außenlager erreichten, schrieb Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick“. Für Lilli und Mara aus dem Gymnasium Nidda verständlich. Die AfD-Parolen von Gauland, Höcke und Co. hingegen nicht.
„Ich finde, dass KZ-Lager und gerade auch Buchenwald ein extrem hohes, kulturelles Gut sind und man das eben nicht herunterspielen darf. Das ist respektlos allen gegenüber, die hier gestorben sind. Mich macht das wütend. Wir hatten heute Morgen die Möglichkeit, hier alleine umherzugehen und zu spüren, wie sich das anfühlt. Und dann sind doch solche Aussagen furchtbar. Das ist respektlos, den Menschen, die ihr Leben lassen mussten gegenüber, aber auch denen gegenüber, die Anteilnehmen wollen und die vielleicht gerade dabei sind zu verstehen, was passiert ist.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/
Siehe auch: